Kolumne Der Rote Faden: Darf ich weiterschreiben?

Eigentlich wollte unser Autor nur über den Falschmelder von der CDU schreiben. Dann mischte sich der Wahrheits-Algorithmus ein.

Bundesinnenminister Thomas de Maizière sitzt im Bundestag um ihn herum sind leere Sitze zu sehen

Der Falschmelder von der CDU: Bundesinnenminister Thomas de Maizière Foto: dpa

Die CDU will ihren Innenminister Thomas de Maizière bestrafen. Wie genau ist noch nicht klar, aber diese Woche sagte der Chef des Bundestagsinnenausschusses, Ansgar Heveling (CDU), er halte bei Falschmeldungen „eine Strafverschärfung für sinnvoll, wenn es hierbei um einen gezielten Kampagnencharakter geht“. Der CDU-Rechtspolitiker Patrick Sensburg will „gezielte Desinformation zur Destabilisierung eines Staats“ unter Strafe stellen.

Endlich.

De Maizière hatte im Juni gesagt, es „könne nicht sein, dass 70 Prozent der Männer unter 40 Jahren vor einer Abschiebung für krank und nicht transportfähig erklärt werden. Dagegen spricht jede Erfahrung.“ Die Zahlen hatte der Innenminister glatt erfunden.

Aber die Wahlen in Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt waren da drei Monate her, die in Mecklenburg-Vorpommern und Berlin würden noch kommen. Thomas de Maizière mag sich gedacht haben [ACHTUNG: Der Wahrheitsgehalt dieser Passage gilt als umstritten. Quelle nicht ersichtlich], dass es an der Zeit sei, zu zeigen, wie ernst nicht nur die AfD, sondern auch seine Partei die Sorgen der Bürger nehme.

Mit 88 wollte Mama nicht mehr leben – sie hörte auf zu essen und zu trinken. Nach 13 Tagen erlag sie einem Nierenversagen. Ist Sterbefasten Suizid? Das Gespräch mit der Buchautorin Christiane zur Nieden lesen Sie in der taz.am wochenende vom 17./18. Dezember. Außerdem: Wieso es unmöglich ist, die Erde perfekt auf einem Blatt Papier abzubilden. Und: Warum 2016 besser war als sein Ruf. Am Kiosk, eKiosk oder gleich im praktischen Wochenendabo.

Vielleicht wollte er sich auch nur den Job einfacher machen [ACHTUNG: Der Wahrheitsgehalt dieser Passage ist ebenfalls umstritten. Bei diesem Text könnte es sich um „Fake News“ handeln. Wollen Sie tatsächlich weiterlesen?], schließlich gilt das Kanzlerinnen-Credo, nur die ganz besonders Verfolgten sollten in Deutschland Zuflucht finden, während am Mittwoch der 22-jährige Rahmat aus Wörth an der Isar nach Afghanistan abgeschoben wurde, trotzdem er an Tuberkulose erkrankt ist und Vater und Bruder von den Taliban getötet worden sein sollen [ACHTUNG: Die Quelle für diese Information ist ein gewisser „San Quentin Lichtblau“ auf Facebook. Das klingt nach einem Fantasienamen und ist bereits der dritte Hinweis auf eine Falschinformation in diesem Text. Wir empfehlen, ihn NICHT weiterzulesen.].

[EINSPRUCH DES AUTORS: Quentin Lichtblau ist ein Journalist, der unter anderem für die taz gearbeitet und seine solide Arbeitsweise unter Beweis gestellt hat.]

[WIDERSPRUCH: Die tageszeitung, besser bekannt unter der Abkürzung taz, ist ein Medium der sogenannten Gegenöffentlichkeit und damit Teil einer im postfaktischen Raum agierenden Publikationssphäre, die sogenannte unterdrückte Nachrichten veröffentlicht – ein Euphemismus für Behauptungen, die keinen geprüften Tatsachen entsprechen.]

[EINSPRUCH DES AUTORS: Habt ihr ein Ei auf dem Kopf, Ihr Knechte? Das ist Jahre her, wann aktualisiert Ihr endlich mal euren beknackten Wahrheitsalgorithmus?]

[WIDERSPRUCH: Beleidigungen führen zur Reduzierung Ihres Reputationskontos. Ihr Glaubwürdigkeitsfaktor ist auf 0,789 gesunken. Sie können die Reduktion akzeptieren und sich entschuldigen, dann werden Ihnen 0,02 Punkte auf Ihrem Konto gutgeschrieben. Oder Sie legen Widerspruch ein, dann wird Ihr Text an unser Truth-Awareness-Team weitergeleitet. Während das berät, können Sie eine Schreibpause einlegen und sich beruhigen].

[AKZEPTIEREN: Okay, okay! Bloß nicht das Awareness-Team. Die warten in der Redaktion auf den Text.]

[FRAGE: Ist Ihnen klar, dass, wenn Sie weiterhin in einem Medium publizieren, das von so wenigen Leuten gelesen wird, Ihr Glaubwürdigkeitsfaktor automatisch weiter sinkt?]

[UNVERSTÄNDNIS: Was, wieso?]

[ERKLÄRUNG: Unser Algorithmus bewertet Nachrichten, die von wenigen geteilt werden als potenzielle Falschmeldungen.]

[GROSSES UNVERSTÄNDNIS: Was hat denn Beliebtheit mit Wahrheit zu tun?

[STOLZE ERWIDERUNG: Alles.]

[FRAGE: Phhh. Darf ich weiter schreiben?]

[ERWIDERUNG: Entschuldigen Sie sich?]

[ANTWORT: Ich habe doch schon auf „akzeptieren“ gedrückt.]

[MAHNUNG: Ein Knopfdruck ist so leicht. Meinen Sie es denn wirklich ernst mit Ihrer Reue?]

[OHMEINGOTTOHMEINGOTT: JA!]

[ZWEITE MAHNUNG: Das Schreiben in Großbuchstaben zeigt an, dass Sie eventuell erregt sind. Sind Sie sicher, dass Sie sich entschuldigen möchten?

[GRMPF: Ja.]

[GÖNNERHAFT: Schreiben Sie, Schulz, schreiben Sie. Sie haben ja nicht den ganzen Tag.

Am Donnerstag hat Facebook einen Plan für den künftigen Umgang mit Falschmeldungen vorgestellt. Nutzer sollen Posts als Fake News melden können, nach Überprüfung sollen diese als „umstritten“ markiert werden können. Außerdem sollen Falschmeldungen schlechter bewertet und weniger oft angezeigt werden. Wenn Artikel von Menschen gelesen und dann nicht geteilt werden, sieht Facebook dies als ein mögliches Signal für Falschmeldungen. Außerdem will das Unternehmen Anreize setzen, um das Verbreiten von Fake News zu begrenzen.

[FREUDE: Das wird toll!!!]

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Redakteur im Ressort Reportage und Recherche. Autor von "Wir waren wie Brüder" (Hanser Berlin 2022) und "Ich höre keine Sirenen mehr. Krieg und Alltag in der Ukraine" (Siedler 2023). Reporterpreis 2018, Theodor-Wolff-Preis 2019, Auszeichnung zum Team des Jahres 2019 zusammen mit den besten Kolleg:innen der Welt für die Recherchen zum Hannibal-Komplex.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.