TERROR Vier Tage nach dem Anschlag in Berlin wird der Tatverdächtige in Italien von der Polizei erschossen
: Endstation Sesto

Hier starb Anis Amri: Bahnhof Sesto San Giovanni Foto: Daniele Bennati/ap

AUS ROM MICHAEL BRAUN

Der Attentäter von Berlin ist tot. Anis Amris Flucht endete in der Nacht auf Freitag um 3.30 Uhr im norditalienischen Sesto San Giovanni. Auf dem Bahnhofsvorplatz in dem Vorort von Mailand wollten zwei Beamte einer Polizeistreife bei einer Routinekontrolle seine Personalien feststellen, doch es kam sofort zum Schusswechsel.

Wie Italiens Innenminister Marco Minniti in Rom erklärte, hatte Amri auf die Aufforderung, seiner Papiere zu zeigen, „ohne zu zögern“, seine Kaliber-22-Pistole gezogen, auf einen der Beamten geschossen und ihn an der Schulter getroffen. Daraufhin habe der zweite Polizist Amri erschossen.

Amri habe zunächst „in gutem Italienisch“ erklärt, er habe keine Dokumente, berichtete die örtliche Polizei. Wie in diesen Fällen üblich sei er aufgefordert worden, seinen Rucksack zu leeren, habe daraufhin die Pistole gezückt und das Feuer eröffnet. Anschließend sei er hinter einem Wagen in Deckung gegangen, die Waffe in der Hand. Der zweite Beamte habe ihn dort erreicht und erschossen. Amri sei allein unterwegs gewesen, außer einem kleinen Messer habe er keine weiteren Waffen und auch kein Telefon mit sich geführt. Italienische Medien meldeten auch, Amri habe „Allahu akbar“ ausgerufen, die Polizei mochte dies jedoch nicht bestätigen.

Amri hatte ein Bahnticket in der Tasche, mit dem er wohl von Chambéry in Frankreich über Turin zunächst zum Mailänder Hauptbahnhof fuhr, wo er etwa um ein Uhr nachts eingetroffen sein soll. Danach fuhr er ins nahe Sesto San Giovanni. Dort sei er den Beamten aufgefallen, weil er „sich verdächtig benommen“ habe.

Über etwaige Verbindungsleute Amris in Italien oder über sein Reiseziel äußerte sich der Innenminister nicht, er kündigte jedoch „weitere Entwicklungen in den Ermittlungen“ an. Ministerpräsident Paolo Gentiloni erklärte, der Fahndungserfolg zeige, dass „diese Regierung präsent ist“.

In Italien hatte das Attentat von Berlin auch deshalb starke Betroffenheit ausgelöst, weil mit der 31-jährigen Fabrizia Di Lorenzo eine Mitbürgerin zu den Opfern gehörte und weil der Attentäter sich zunächst mehr als vier Jahre in Italien aufgehalten hatte, ehe er im Sommer 2015 nach Deutschland ging.

Über Amris Jahre in Italien – die er zum größten Teil im Gefängnis verbrachte – wurden weitere Details bekannt, aus denen hervorgeht, dass er auch schon von den italienischen Behörden als gefährlicher islamistischer Extremist eingestuft worden war. Im Februar 2011 von der Polizei auf Lampedusa erstmals registriert, fiel er schon in der dortigen Erstaufnahmeeinrichtung auf, weil er sich an Ausschreitungen tunesischer Flüchtlinge beteiligte. Danach war der nach eigenen Angaben Minderjährige in einer Flüchtlingseinrichtung auf Sizilien untergebracht worden.

In seiner Unterkunft hatte er im Oktober 2011 zusammen mit vier Mittätern einen Brand gelegt, um gegen die seiner Meinung nach übermäßig lange Anerkennungsprozedur im Asylverfahren zu protestieren. Dies trug ihm die Verurteilung zu vier Jahren Haft ein.

Die Website corriere.it zitiert Quellen aus der italienischen Gefängnisverwaltung, wonach Amri schon während der Haft als radikaler Islamist auffiel. So habe er im Gefängnis Agrigent einen Mitgefangenen wegen dessen christlichem Glauben bedroht und ihm angekündigt, er werde ihm „den Kopf abschneiden“. Und so habe er sich nach dem Anschlag auf die Redaktion von Charlie Hebdo im Januar 2015 zu offenen Freudenbekundungen hinreißen lassen. Amris Name wurde deshalb von der nationalen Gefängnisverwaltung dem „Komitee strategische Analyse Antiterrorismus“ mitgeteilt, in dem die Gefängnisverwaltung und Italiens Geheimdienste ihre Erkenntnisse austauschen.

Der Tunesier wurde nach seiner Haftentlassung im Mai 2015 für einen Monat in Abschiebehaft genommen. Da es aber nicht gelang, Papiere von den tunesischen Behörden zu erhalten, wurde er danach auf freien Fuß gesetzt. Seine Daten inklusive Fingerabdrücke wurden zwar in die europäischen Datenbanken eingespeist, ansonsten erhielt er von Italiens Behörden aber nur die Ausweisungsverfügung, die ihn zum Verlassen des Landes binnen sieben Tagen aufforderte. Von da an verlor sich seine Spur in Italien, bis zu seinem Tod in Sesto San Giovanni.