Dreiteiliges Remake von „Winnetou“: Ganz neue Räuberpistolen

RTL beschert über die Feiertage eine „Winnetou“-Neuverfilmung. Der Wilde Westen liegt im einzig wahren Indianerland: Kroatien.

Old Shatterhand (Wotan Wilke Möhring, l.), Winnetou (Nik Xhelilaj, M.) und Sam Hawkens (Milan Peschel)

Old Shatterhand (Wotan Wilke Möhring, l.) und Winnetou (Nik Xhelilaj, M.), wie RTL sie sieht Foto: RTL / Nikola Predovic

Auf der Berlinale und in diesem Monat auf Arte lief die Dokumentation „Verfluchte Liebe Deutscher Film“ von Johannes F. Sievert und Dominik Graf. Da ging es um nichts weniger als die Rehabilitierung von Opas totgesagtem Kino: um Kintopp-Trash, wie ihn die „Winnetou“-Regisseure Harald Reinl und Alfred Vohrer in den 1960er Jahren am laufenden Band produzierten.

Wer daraufhin jetzt das TV-Festprogramm studiert, bei RTL hängen bleibt und sich darauf freut, die hundertmal geguckten „Winnetous“ noch ein hundertunderstes Mal – und jetzt mit ganz anderen Augen als große Filmkunst – zu sehen: der hat sich zu früh gefreut. Hat doch RTL den Stoff tatsächlich neu verfilmt!

Welcher Teufel mag Regisseur Philipp Stölzl („Nordwand“, „Der Medicus“) geritten haben, sich an den so sehr in einem vergangenen Zeitgeist verhafteten „Winnetou“-Filmen zu vergreifen? Am Anfang sieht es ganz so aus, als wolle Stölzl Karl May auf Jack London bürsten (etwa so, wie ihn Wolfgang Staudte in den 1970er Jahren mit „Der Seewolf“ und „Lockruf des Goldes“ verfilmt hat).

Der Held (Wotan Wilke Möhring) heißt erst mal noch Karl und außerdem May. Der Wilde Westen liegt im einzig wahren Indianerland: Kroatien. „Wir brauchen hier richtige Männer und keine Rechenschieber“, sagen die Proleten auf der Eisenbahn-Baustelle. Der frisch eingewanderte deutsche Akademiker bleibt höflich: „Ich muss Sie darauf hinweisen, dass ich im Verein geboxt habe.“

„Winnetou – Eine neue Welt“, 25. 12.; „Winnetou – Das Geheimnis vom Silbersee“, 27. 12.; „Winnetou – Der letzte Kampf“, 29. 12., jeweils 20.15 Uhr, RTL

Es wird viel untertitelt

Mit den ebenfalls sehr höflichen Indianern versteht er sich viel besser, sie heißen den versierten Faustkämpfer und Schusswaffengegner bald Old Shatterhand. In der Phase seiner Aufnahme in den Stamm schaltet Stölzl dann auf „Ein Mann, den sie Pferd nannten“-Modus um, gemixt mit ein bisschen „Der mit dem Wolf tanzt“. Es wird viel untertitelt.

Wer nun aber schließt, es ginge Stölzl um ein mehr an Realismus, Authentizität – der wird sich spätestens beim zweiten Film berichtigen müssen. Old Shatterhand überwindet hier seine geschmacklichen und ethischen Bedenken, wirft sich das Fransen-Leibchen über, greift endlich zum Henrystutzen und folgt den Entführern Nscho-tschis (Iazua Larios) zum Silbersee.

Der Epochenbruch: Old Shatterhand und Nscho-tschi bauen sich ein Häuschen

Apropos Nscho-tschi. Da zeigt sich, dass Werktreue Stölzl auch nicht mehr bedeutet als seinen Vorgängern. Im Gegenteil. Bei May wie auch bei Reinl musste Nscho-tschi bereits im ersten „Winnetou“ sterben. 2016 ist ihre Rolle an der Seite von Old Shatterhand beinahe wichtiger als die ihres Bruders Winnetou (schön, muskulös und mit Smokey Eyes: Nik Xhelilaj). Und dass der einstmals notorische Junggeselle Old Shatterhand und Nscho-tschi sich ein Häuschen bauen, ist als dramatischer Epochenbruch nur noch mit James Bonds Heirat (in „Im Geheimdienst ihrer Majestät“) vergleichbar.

Die Silbersee-Episode indes, deren Plot mit Mays und Reinls Vorlagen nicht mehr als den titelgebenden See gemein hat, ist reiner Klamauk. Fahri Yardim gibt den liebestollen mexikanischen Banditen El Mas Loco, der in Nscho-tschi die Reinkarnation seiner verstorbenen Ex erkannt hat: „Bald wirst du mich wieder genauso lieben wie vor deinem Tod!“

Jürgen Vogel als Rassist

Überhaupt die Bösewichte: Im ersten Film spielt Jürgen Vogel den durch und durch rassistischen Redneck „Rattler“ (kommt bei May vor, nicht aber bei Reinl), im dritten Michael Maertens den Baudelaires „Die Blumen des Bösen“ zitierenden, mordenden und marodierenden Dandy Santer Junior, Sohn des Übervaters Santer, dargestellt von Mario Adorf, der Santer schon in Reinls erstem „Winnetou“ gespielt hat. Solche Bösewichte funktionieren über alle Zeitläufte hinweg. Bei ihnen ist „Winnetou“ ganz bei sich: bei der Kolportage, dem Schund erster Ordnung.

Wenn Stölzl auch nicht so richtig zu wissen scheint, was er will; wenn er vielleicht auch deshalb umso unbedarfter und ungenierter Motive Karl Mays mit denen seiner Adaptionen mit weiteren historischen und filmhistorischen Motiven zu drei ganz neuen Räuberpistolen remixt – dann ist ihm das immerhin gelungen. Karl May hätte es nicht anders gemacht.

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