Warum die USA mit Russland kuscheln: Trump, Assange und die Hacker

Der Wikileaks-Gründer beharrt darauf: Der Kreml steckt nicht hinter den geleakten Clinton-Mails. Trump freut's, die US-Geheimdienste sehen das anders.

Julian Assanges Katze guckt aus dem Fenster - und strägt eine Krawatte

Wenn sie doch sprechen könnte – stattdessen guckt Julian Assanges Katze nur stumm aus dem Fenster der equadorianischen Botschaft Foto: dpa

BERLIN taz | Noch 2010 fand Donald Trump Wikileaks „schändlich“ und überlegte, ob für jemanden wie Wikileaks-Gründer Julian Assange nicht die Todesstrafe angemessen sei. Damals hatte Wikileaks das Material von Chelsea (damals noch Bradley) Manning veröffentlicht – Tausende von geheimen Daten über die US-Kriege im Irak und in Afghanistan, die schwerste Menschenrechtsverletzungen von US-amerikanischer Seite enthüllten.

Heute redet Trump über Assange ganz anders. Der künftige Präsident hat in ihm einen Verbündeten gefunden.

Im Sommer letzten Jahres, unmittelbar vor Beginn des Demokratischen Nominierungsparteitages, hatte Wikileaks mit der Veröffentlichung von E-Mails aus dem Demokratischen Parteivorstand begonnen.

Diese Mails waren für die zu krönende Kandidatin Hillary Clinton ziemlich unangenehm, offenbarten sie doch, wie unfair sich der eigentlich neutrale Parteivorstand gegen ihren Konkurrenten Bernie Sanders verhalten hatte. In weiteren E-Mails – nicht zuletzt rund 60.000 Mails ihres Wahlkampfleiters John Podesta – kamen bis kurz vor der Wahl immer weitere kleinere oder größere Peinlichkeiten heraus.

Schlecht für Clinton

Dass die E-Mails Clinton im Wahlkampf geschadet haben, steht außer Zweifel. Dass sie entscheidend für Trumps Sieg waren, wie es manche Demokraten gern suggerieren, ist ziemlich sicher Unsinn.

Schon im Juli erklärte Clinton unter Berufung auf Geheimdienstinformationen, Wikileaks habe die gestohlenen Daten von Hackern im Auftrag der russischen Regierung erhalten. Deren Ziel: den Kandidaten der Republikaner zum Präsidenten zu machen.

Damit versuchte Clinton einerseits, vom eigentlichen Inhalt der Mails abzulenken. Andererseits war der Vorwurf politisch plausibel: Immerhin hatten sich Trump und Russlands Präsident Wladimir Putin immer wieder gegenseitig öffentlich gelobt. Trump machte keinen Hehl daraus, dass er die Annexion der Krim zu akzeptieren bereit wäre, die Sanktionen gegen Russland gern aufgehoben sähe und Russlands Vorgehen an der Seite Präsident Assads in Syrien gutheißt.

Allerdings: Seit Juli haben sowohl das Clinton-Team als auch – insbesondere nach der Wahl – die Obama-Regierung und die US-Geheimdienste ein ums andere Mal bekräftigt, hinter jenen Hacks stünden russische Interessen. Die Geheimdienste, so Obama im Dezember, seien inzwischen zu der Auffassung gekommen, Putin persönlich habe die Operationen angeordnet und überwacht. Dass Obama dann kurz vor dem Jahreswechsel die Ausweisung 35 russischer Diplomaten und ihrer Familien aus den USA und eine ganze Reihe weiterer „Strafmaßnahmen“ gegen Russland verkündete, war nur folgerichtig.

Für Trump geht es um seine politische Legitimation

Was allerdings bis heute fehlt: öffentlich nachprüfbare Beweise für die russische Urheberschaft. Russland hat jede Verantwortung stets zurückgewiesen. Wikileaks gibt zwar seine Quelle nicht preis, sagt aber seit einem halben Jahr, dass es nicht Russland sei.

Und genau das glaubt auch Donald Trump. Immer wieder wies er den Vorwurf, russische Hacker stünden hinter den Leaks, als „Unsinn“ zurück. Schon im Sommer hatte er gesagt, der Hacker könne irgendein übergewichtiger Nerd in seinem Wohnzimmer gewesen sein. Am Neujahrsabend sagte er vor Journalisten, er habe Informationen, die andere nicht hätten. Welche, sagte er nicht.

Für Trump geht es bei alledem um die politische Frage der Legitimität seines Wahlsieges: Immerhin hat er landesweit fast drei Millionen Stimmen weniger bekommen als Clinton. Das war zwar für die Mehrheit im Wahlgremium unerheblich – für die Frage, mit welchem politischen Mandat er regieren wird, allerdings nicht. Wenn auch noch der Vorwurf im Raum steht, Russland habe ihm zum Sieg verholfen, ist das nicht gut. Trump kann daher gar nicht anders, als den Vorwurf für Unsinn zu erklären.

Nützlich für Trump

In einem am Dienstagabend ausgestrahlten Interview mit dem Fox-Journalisten und überzeugten Trump-Unterstützer Sean Hannity in der ecuadorianischen Botschaft in London widerholte Julian Assange erneut: „Unsere Quelle ist weder die russische Regierung noch überhaupt ein Staat.“ Ein 14jähriger könnte Podestas Account gehackt haben, sagte Assange weiter. Trump baute all das sogleich in wütende Tweets ein und teilte auch gleich noch Assanges Beschimpfung „der Medien“, die „nicht vertrauenswürdig“ seien.

Am Mittwoch dann mokierte sich der gewählte Präsident darüber, dass ein für diese Woche für ihn angesetztes Geheimdienstbriefing zum „sogenannten russischen Hacking“ auf Freitag verschoben worden sei – „vielleicht braucht es mehr Zeit, um einen Fall zu konstruieren“, twitterte Trump. Und das sei doch „sehr seltsam“. Die Sprecher der beteiligten Geheimdienste reagierten sofort: Gar nichts sei verschoben worden, das Treffen sei immer für Freitag angesetzt gewesen.

Schon am Donnerstag allerdings sollte im Geheimdienstausschuss des US-Senats eine Anhörung zum Thema stattfinden. Betreiber dieses Termins sind die republikanischen Senatoren Lindsay Graham und John McCain. McCain, der außenpolitisch als Falke gilt, gibt in dieser Auseinandersetzung den größten Widersacher Donald Trumps.

Fußnote der Geschichte: Als McCain 2008 als republikanischer Kandidat gegen Barack Obama angetreten war, hatte er die Tea-Party-Politikerin Sarah Palin zu seiner Vizekandidatin gemacht. Auch Palin verurteilte seinerzeit Wikileaks und Assange aufs allerschärfste und wünschte ihm den Tod. Jetzt, zur Trump-Unterstützerin gewandelt, twitterte sie eine Entschuldigung an Assange.

McCain jedoch bleibt sich treu. Er hatte gleich nach Bekanntwerden der Vorwürfe eine umfassende Senatsuntersuchung gefordert. Und ähnlich wie Paul Ryan, der republikanische Sprecher des Repräsentantenhauses, hat er Obamas Strafmaßnahmen gegen Russland vor einer Woche nicht verurteilt, sondern gutgeheißen.

Glenn Greenwald

„Es ist plausibel und meiner Meinung nach auch wahrscheinlich, dass Hacker auf Anforderung der russischen Regierung für die Hacks beim Demokratischen Parteivorstand und bei Podesta verantwortlich sind, um die US-Wahlen zugunsten Donald Trumps zu beeinflussen“

Trump und seine Unterstützer stehen in der Frage des Verhältnisses zu Putins Russland gegen Teile ihrer eigenen Partei – und gegen die Geheimdienste des eigenen Landes. Das ist eine einmalige Konstellation. Zwar drängt innenpolitisch gerade ein anderes Thema in den Vordergrund: die von der republikanischen Kongressmehrheit vorangetriebene Rücknahme von Obamas Gesundheitsreform. Aber das Verhältnis der neuen Regierung zu Russland könnte eine Rolle spielen, wenn der Senat die von Trump vorgeschlagenen Kabinettsmitglieder bestätigen muss.

Nicht gut für Republikaner

Im Fokus steht hier besonders der als Außenminister nominierte Rex Tillerson. Der 64jährige hat in dieser Woche sein Amt als Chef des Erdölkonzerns Exxon Mobil niedergelegt und dafür eine Abfindung von 180 Millionen US-Dollar erhalten. Für das Unternehmen hat Tillerson ausgezeichnete Geschäftsverbindungen nach Russland unterhalten – und gilt als dem russischen Präsidenten freundschaftlich verbunden. Mindestens vier republikanische Senatoren – neben McCain und Graham auch Marco Rubio aus Florida und James Lankfort aus Oklahoma, haben bereits angekündigt, es müsse noch einiges passieren, damit sie für den Kandidaten Tillerson stimmen.

Die Republikaner verfügen im Senat über eine Mehrheit von 52 zu 48 Sitzen. Vier Abweichler aus den eigenen Reihen können zum Problem werden.

In der kommenden Woche will auch die Regierung einen eigenen Untersuchungsbericht zu den Hacks veröffentlichen – genau genommen die für die Öffentlichkeit entschärfte Version eines von den Geheimdiensten ausgearbeiteten Papiers, das noch in dieser Woche dem Präsidenten vorgelegt werden soll. Niemand weiß derzeit zu sagen, ob sich die öffentlich zugängliche Beweislage dadurch tatsächlich ändert.

Die ist bislang – jenseits von Plausibilitäten – ausgesprochen dünn. Ende Dezember hatten FBI und Heimatschutzministerium einen Bericht über die mutmaßlich russischen Hacks herausgebracht. Von US-Seite „Operation Grizzly Steppe“ getauft (in Anspielung auf die beteiligten Hackergruppen „Fancy Bear“ und „Cozy Bear“), benennt der Bericht „von russischen Hackern“ verwendete IP-Adressen und Methoden des Phishings.

Von den knapp 1.000 IP-Adressen jedoch, die im Bericht benannt wurden, sind fast die Hälfte sogenannte Exit Nodes des Tor-Netzwerkes – eines weltweiten, von Freiwilligen betriebenen Netzwerkes, dessen Benutzung es ermöglicht, anonym im Internet zu surfen. Das fand der Journalist Glen Greenwald heraus, der als Vertrauter des NSA-Whistleblowers Edward Snowden bekannt geworden ist. Er veröffentlichte das Ergebnis auf seiner Internetplattform The Intercept. Ergebnis: Hinter diesen IP-Adressen kann sich jeder verbergen, der Tor nutzt.

Nur, wo bleiben die Beweise?

„Es ist plausibel,“ schreibt Greenwald, „und meiner Meinung nach auch wahrscheinlich, dass Hacker auf Anforderung der russischen Regierung für die Hacks beim Demokratischen Parteivorstand und bei Podesta verantwortlich sind, um die US-Wahlen zugunsten Donald Trumps zu beeinflussen.“ Wenn die Obama-Regierung das aber wirklich geltend machen wolle, dann müsse sie endlich aussagekräftige Beweise bereitstellen.

Es ist fraglich, ob die anstehenden Veröffentlichungen tatsächlich mehr Licht in die Vorgänge bringen. Noch unsicherer scheint es, ob nach der offiziellen Amtseinführung Donald Trumps am 20. Januar überhaupt eine offizielle Untersuchung weitergeht.

Trump dürfte daran wenig Interesse haben – er wird eher versuchen, sich den Druck der Geheimdienste vom Hals zu schaffen. Das Wall Street Journal berichtet unter Berufung auf Informanten aus seinem Übergangsteam, Trump plane bereits eine Umstrukturierung und Schrumpfung der CIA – weil die „zu politisiert“ sei.

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