Reeder finden Landstrom zu teuer

KLIMA II Mit sauberem Treibstoff ließe sich der Schadstoffausstoß der Schifffahrt wesentlich schneller und effizienter senken. Für die Hafenstädte wäre ein Anreizsystem billiger als der Bau von Steckdosen

HAMBURG taz | Die Diskussion darüber, wie der Schadstoffausstoß von Schiffen gesenkt werden kann, geht möglicherweise in eine falsche Richtung. Diesen Eindruck legen Überlegungen nahe, die Branchenvertreter auf einem Fachgespräch der Hamburger Grünen (GAL) und des Naturschutzbundes (Nabu) am Rande der internationalen Hamburg City Climate Conference angestellt haben. Demnach ließen sich die Schiffsemissionen – insbesondere in den Häfen – mit Hilfe von hochwertigen Treibstoffen weitaus effizienter und schneller drücken als durch den Aufbau einer Energieversorgung von Land aus. Auf der Climate Conference diskutieren Experten, was Städte für den Klimaschutz tun können.

Der weltweite Schiffsverkehr ist zwar bezogen auf die transportierte Tonnage bei weitem das umweltfreundlichste Verkehrsmittel und trägt zum Kohlendioxid(CO2)-Ausstoß nur wenig bei. Dafür entstehen bei der Verbrennung von Schweröl, das als Schiffstreibstoff eingesetzt wird, besonders viele Stickoxide, Schwefeldioxid und Ruß. Ein großer Teil dieser gesundheitsschädlichen Stoffe wird in den europäischen Hafenstädten von Schiffen in die Luft gepustet.

Der Ruß verstärkt nach Ansicht des Nabu überdies den Klimawandel. Die Rußteilchen in der Atmosphäre heizten sich auf und sie verringerten die Reflexion des Sonnenlichts. Dieser Effekt falle in der Arktis besonders ins Gewicht. „Fast 50 Prozent der Erwärmung der Arktis sind auf Rußpartikel zurückzuführen“, sagte Dietmar Oeliger vom Nabu – die Partikel anderer Verkehrsträger eingeschlossen.

Als ein Weg, diesem Problem in den Hafenstädten zu begegnen, wird die Versorgung mit Landstrom diskutiert. Am Kai liegende Schiffe stöpseln sich in eine Steckdose ein, so dass sie ihr Schwerölkraftwerk für die Energieversorgung an Bord drosseln können. Landstrom ist allerdings teuer. „Um fünf Kilometer Kaie mit Landstrom zu versorgen, müssten wir 120 bis 150 Millionen Euro investieren“, sagte Stefan Woltering von Bremenports.

Dirk Max Johns, Sprecher des Verbands Deutscher Reeder (VDR), wies darauf hin, dass auch die Umrüstung der Schiffe schwierig sei und die Kraftwerke in den Schiffen trotz des Landstroms weiterbetrieben werden müssten, um für Wärme an Bord zu sorgen. Gerhard Untiedt von der Papenburger Meyer-Werft machte auf Leitungs- und Transformationsverluste des Stroms auf dem Weg zum Schiff aufmerksam. Johns bezweifelte mit Bezug auf eine EU-Studie, dass Landstrom zur Verringerung des CO2-Ausstoßes beitrage.

Alternativ könnten die Schiffe von Land aus mit Erdgas versorgt oder als dritte Variante gleich mit Flüssiggas oder hochwertigem Diesel betankt werden. Vor allem die letzte Variante hat es Johns und Untiedt angetan. „Man hätte sowohl im Hafen als auch auf See gute Werte“, sagte Untiedt. Die Schiffe könnten in emissionsreduzierten Zonen auf dem Meer auf den umweltfreundlichen Treibstoff umstellen und in den Häfen ihre Aggregate damit betreiben.

„Landstrom ist ein Placebo“, sagte Johns. Im Gegensatz zu Untiedt setzt er auf hochwertigen Diesel statt Gas, das noch umweltfreundlicher ist. Dafür könnten auch alte Schiffe damit fahren. Anreize für die Reeder zu setzen, den guten Treibstoff zu tanken, sei für die Hafenstädte viel billiger, als eine Landstrom-Infrastruktur aufzubauen.

Jenny Weggen von der GAL sprach sich für Landstrom aus. Dieser sei „auch langfristig die bessere Lösung, weil er aus regenerativen Quellen stammen kann und muss“. GERNOT KNÖDLER