Kolumne Stadtgespräch: Gegen Fliegen und Tiger vorgehen

Chinas Staatspräsident Xi Jinping geht gegen finanzielle „Beziehungspflege“ vor. Auch Fehlverhalten innerhalb der Antikorruptionsbehörde wird angeprangert.

Der chinesische Staatspräsident Xi Jinping bei seiner Neujahrsrede

Xi Jinping will auch gegen hohe Funktionäre vorgehen Foto: ap

PEKING taz | In China naht das Frühlingsfest. Die meisten Chinesen nutzen das für sie wichtigste Fest im Jahr dazu, ihre Freunde und Verwandten reich zu beschenken. Und da Geldgeschenke als nicht verpönt gelten, gibt es sogenannte Rote Umschläge. Darin stecken die Geldscheine.

Aber seit ein paar Jahren gibt es diese meist in seidenem Papier umwickelten Umschläge nicht nur zum Frühlingsbeginn, sondern das ganze Jahr über.

Sie werden gern auch mal einem Beamten in der Behörde, etwa für eine Autozulassung, zugesteckt, einem Parteisekretär bei der Genehmigung für ein Bauvorhaben oder auch einfach nur so. „Hao Guanxi“ heißt es dann mit einem Augenzwinkern. Auf Deutsch übersetzt: Beziehungspflege.

Diese Art der „Beziehungspflege“ ist unter dem seit vier Jahren amtierenden Staatspräsidenten Xi Jinping gehörig in Misskredit geraten. Er wolle gegen „Fliegen“ wie „Tiger“ gleichermaßen vorgehen, sagte Xi Jinping bei seinem Amtsantritt – gegen hohe Funktionäre genauso wie gegen kleine.

„Effektive Eindämmung“

Er hat Wort gehalten. Vergangene Woche hat die zuständige Zen­tral­kommission der Partei für Inspektion und Disziplin Bilanz gezogen. Seit 2014 wurden in der Volksrepublik demnach knapp 1,2 Millionen Ermittlungsverfahren wegen Korruption durchgeführt und umgerechnet 1,2 Milliarden Euro Bestechungsgelder sichergestellt.

Allein im vergangenen Jahr wurden rund 410.000 Funktionäre bestraft, davon 76 auf Ministerebene oder höher. Chinas staatlich kontrollierte Medien schreiben von „effektiver Eindämmung“.

Auch korrupte Funk­tio­nä­re, die ins Ausland geflüchtet waren, blieben nicht verschont. Fast 2.600 Beschuldigte wurden 2016 nach China zurückgeführt.

Erstmals pran­gert die Anti­kor­rup­tions­kom­mis­sion auch Fehlverhalten in den eigenen Reihen an. Und zwar öffentlichkeitswirksam auf CCTV. Gleich drei Sendungen widmete der chinesische Staatssender den Geständnissen der Beschuldigten. Insgesamt seien seit Beginn der Kampagne 2012 landesweit knapp 7.900 Korruptionsermittler wegen Disziplinarverstößen bestraft worden.

Spott in sozialen Medien

Das hat anscheinend auch die Führung aufgeschreckt. Noch in diesem Jahr werde eine „Nationale Kommission für Überwachung“ gegründet, heißt es. Sie soll noch einmal über der bereits bestehenden Kontrollkommission stehen.

Der Spott in Chinas sozialen Medien lässt nicht lange auf sich warten. „Absurd“, kommentiert ein Nutzer. „Wer kontrolliert die neue übergeordnete Kontrollkommission“, fragt ein weiterer. „Etwa Xi Dada?“ (Der väterliche Name des chinesischen Staatspräsidenten Xi Jinping.) Vor drei Jahren wurde bekannt, dass ein Schwager von Xi Jinping Gelder der Familie über Offshore-Unternehmen ins Ausland verlagert haben soll.

Dabei findet sich das Übel ganz woanders. „Korruption entsteht, wenn die Praxis, die das System prägt, im direkten Widerspruch zum Gesetz steht“, schreibt Dan Hough, britischer Politologe in der in Hongkong erscheinenden South China Morning Post. Da helfe es auch nicht, mehr Menschen einzusperren, die glauben, sie hätten nur das getan, was die anderen auch tun.

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war von 2012 bis 2019 China-Korrespondent der taz in Peking. Nun ist er in der taz-Zentrale für Weltwirtschaft zuständig. 2011 ist sein erstes Buch erschienen: „Der Gewinner der Krise – was der Westen von China lernen kann“, 2014 sein zweites: "Macht und Moderne. Chinas großer Reformer Deng Xiao-ping. Eine Biographie" - beide erschienen im Rotbuch Verlag.

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