Die Namen der Nutznießer

Arisierungs-Beute

„Harte Kost“ kündigt Regisseur Marcus Lobbes an: Das Deutsche Theater in Göttingen bringt an diesem Samstag die Uraufführung eines Stückes über „Arisierung“ auf die Bühne. Erstmals wird damit die komplette Ausplünderung der jüdischen Bevölkerung mit den Mitteln des Theaters thematisiert. Und das wiederum so wirklichkeitsnah, dass sich im Göttinger Publikum einige darauf gefasst machen müssen, die Namen ihrer Familien zu hören – als „Nutznießer“.

„Die Nutznießer – ,Arisierung‘ in Göttingen“ heißt der komplette Titel der dokumentarischen Collage, mit deren Erstellung das Deutsche Theater Gesine Schmidt beauftragt hat. Die in Berlin lebende Dramaturgin durchforstete Tausende von Akten im städtischen Archiv, um prägnantes Material über die rasante Verschiebung aller Arten von Eigentum vom jüdischen an den „arischen“ Teil der Göttingern Bevölkerung zusammenzutragen – von Häusern und Gärten über Schmuck und Bibliotheken und bis hin zu Besen und Tischtüchern.

Im Fokus stehen dabei beispielhaft die Familien Löwenstein und Hahn. Die Löwensteins lieferten Fleichereibedarf, die Hahns fabrizierten Schuhe. Beide gehörten über Jahrzehnte zur gehobenen Göttinger Gesellschaft. In den späten 30er-Jahren konnte dann manch Göttinger, der bei den Hahns zu Gast gewesen war, deren prächtige Wohnzimmerausstattung im Stadtmuseum betrachten – als öffentliche „Arisierungs“-Beute.

Das Theater will aber insbesondere auf die privaten Nutznießer der Schnäppchenverkäufe und „Judenauktionen“ hinweisen – und hat damit eine ähnliche Zielsetzung wie das von der taz initiierte Bremer „Arisierungs“-Mahnmal vor dem Sitz der Möbelspedition Kühne + Nagel. „Offenbar haben wir einen Nerv getroffen“, sagt Dramaturgin Sara Örtel: Die ersten Vorstellungen seien bereits ausverkauft. hb