Kult, öko – und trotzdem insolvent

FAHRRÄDER Hersteller Mifa ist schon wieder zahlungsunfähig. Schafft die Firma den Weg aus der Krise?

Die Produktion soll trotzdem weitergehen Foto: Klaus-Dietmar Gabbert/dpa

DRESDEN taz | „Das sind doch eher Räder für die großen ­Discounter-Ketten“, kommentiert eine Fahrrad-Einzelhändlerin alter Schule in Dresden. „Wir können es uns nicht leisten, solche Räder zu verkaufen, und dann kommen die Leute alle vier Wochen mit einem Defekt“, fügt sie hinzu.

Das Image von Mifa-Räder aus Sangerhausen ist nicht besser geworden. Anfang Januar hat der neue Geschäftsführer, Joachim Voigt-Salus, den 520 Mitarbeitern die zweite Insolvenz innerhalb von zwei Jahren verkündete. Ende 2014 erst hatten der Unternehmer Heinrich von Nathusius und seine Familie den schwächelnden Traditionsbetrieb übernommen. Das Land Sachsen-Anhalt half mit einer Kreditbürgschaft, der Landkreis kaufte das Werksgelände und vermietete es an Mifa. 17 Millionen Euro hat Nathusius noch in ein neues Werk investiert, das kurz vor Weihnachten die Produktion aufnahm.

Die soll nach Angaben des zweiten Geschäftsführers Matthias Herold bis Februar voll hochgefahren werden, um mit einer Produktion von 50.000 Fahrrädern im Monat die Lieferbedingungen einzuhalten. Denn auf Kundentreue und fortgesetztes Gläubigervertrauen komme es jetzt besonders an.

Bislang brachte die Mifa-Anleihe für Anleger nur Verluste. Verträge und Lieferverpflichtungen scheinen im Gegensatz zu den Liquiditätsproblemen der Firma zu stehen. In Eigenregie will man deshalb in dem vorgeschriebenen Insolvenz-Vierteljahr wieder auf die Füße kommen. Aber mit welchem Konzept?

Die neue Geschäftsführung hat lediglich erklärt, dass man von der großen Vision Abschied nehme, eine führende Position unter Europas Fahrradproduzenten anzustreben. „Eine Nummer kleiner stricken“ wolle man in Zukunft. Auf den ersten Blick müsste es doch beste Chancen in einem boomenden Markt geben. David Eisenberger, Sprecher des Zweirad-Industrie-Verbands, will sich zu Ursachen der Mifa-Insolvenz nicht äußern, ist aber überzeugt, dass die Strategie zum geringeren Teil dafür verantwortlich ist. „Mifa hat nicht danebengelegen“, sagt er und verweist darauf, dass mit der Hausmarke Steppenwolf durchaus auch Qualitätsräder im Angebot sind.

Der Trend gehe allerdings in Richtung Manufaktur und Individualisierung. Die Leipziger Rotor Bikes GmbH zum Beispiel baut nach Kundenwunsch und Zweckmäßigkeit Räder aus Komponenten zusammen, die durchschnittlich eben 2.500 Euro kosten. Die persönliche Note und die Qualitätsansprüche würden immer wichtiger, sagt Geschäftsführer Sebastian Billhardt. „Dazu kommt, dass das Fahrrad grün, öko und ein Statussymbol geworden ist“, fügt er hinzu. Was nicht automatisch bedeute, dass Spezialisten wie Rotor im Gewinn ersaufen würden, denn der Druck der Industrie ist weiterhin hoch. Das Rad bleibt für Billhardt aber auf jeden Fall ein Fachhandelsprodukt.

„Eine Nummer kleiner stricken“

Mifas Pläne für die Zukunft

Genau dort sieht der Ökonom Ulrich Blum von der Universität Halle-Wittenberg auch die Reserven für Mifa. „Mit Qualität und Differenzierung kann man sich von Kambodscha-Importen unterscheiden“, sagt er. Blum meint zum einen technologische Innovationen, denkt an den Einsatz neuester Aluminium-Legierungen mit Seltenen Erden oder elektronische Touren-Optimierung für den Elektroantrieb. Wie in der Autobranche schlagen solche Innovationen vom Luxussegment auch auf Alltagsräder durch. Zum anderen schweben Blum Markt- und Präsentationsideen vor. Zum Beispiel ein Eingehen auf die wachsende Seniorengeneration, ein Zusammengehen mit touristischen Anbietern.

Michael Bartsch