Bürgerbeteiligung Die Genossenschaft „Bürger Energie Bremen“ will ihre erste Windkraftanlage bauen. Vorstand Sven Punke hofft, trotz Schwierigkeiten und Gesetzesänderungen auf weitere Windprojekte
: „Es gibt immer Leute, die keinen Windpark wollen“

Suchen weitere Geldgeber: Die Begenos Sven Punke, Michael Horling und Katja Muchow (v. l.) bringen die Windkraft voran Foto: BEGeno K. Rolfes

Interview Vanessa Reiber

taz: Herr Punke, wie kann eine kleine Genossenschaft einen Bürgerwindpark bauen?

Sven Punke: Dazu braucht es zunächst einmal Geduld und motivierte Genossen, die so überzeugt vom Bau eines Windparks sind, dass sie sich über Jahre ehrenamtlich für die Vorbereitung des Baus engagieren. Natürlich ist auch Kapital unerlässlich, da die Projektentwicklung für einen Windkraftstandort Hunderttausende Euro kostet. Bevor der Bau genehmigt wird, müssen verschiedene Gutachten eingeholt werden, die die Unbedenklichkeit der Windenergieanlage gegenüber der Umwelt und Nachbarschaft bescheinigen. Es besteht immer das Risiko, dass die Auflagen für einen Standort zu hoch sind und das Geld umsonst ausgegeben wird. Eine Genossenschaft wie die Begeno kann sich das gar nicht leisten, deshalb sind wir auf die Kooperation mit Windkraftprojektierern angewiesen, also Firmen, deren Kerngeschäft der Bau von Windanlagen ist.

Ein Ziel Ihrer Genossenschaft ist, die Bürgerbeteiligung am Bau regenerativer Energieanlagen auszubauen. Steht das nicht im Widerspruch zu AntiWindkraft-Initiativen?

Ich kenne keine Windkraftanlage, bei der keine Bürger im Vorfeld des Baus protestiert haben. In der Regel sind es die direkten Anwohner, die mit den Windrädern nicht einverstanden sind. Damit muss man umgehen können. Wir haben darauf geachtet, welche Einwände es gegen den Bau gibt und diese ausführlich geprüft. Es wurden zum Beispiel im Naturschutzbereich viele Dinge angemerkt, wie dass Untersuchungen nicht richtig gemacht worden seien. Wir haben uns die Gutachten intensiv angesehen und auch mit Naturschutzverbänden gesprochen. Ich bin der Auffassung, dass in der Genehmigungsphase alles Nötige wie zum Beispiel Auflagen über Abschaltzeiten für Fledermäuse beachtet wurde.

Haben Sie auch mit Ihren Projektgegnern gesprochen?

Nein, ich habe mich nicht mit den Anwohnern direkt unterhalten. Meiner Erfahrung nach gibt es immer Leute, die keinen Windpark wollen und sich auch nicht mit Argumenten überzeugen lassen. Trotzdem war es uns wichtig, dass es ein Genehmigungsverfahren mit Öffentlichkeitsbeteiligung gibt. Alle Anwohner hatten damit die Möglichkeit, ihre Bedenken schriftlich zu äußern. Diese wurden auch später in einer öffentlichen Sitzung des Bauausschusses besprochen und nochmals abgewogen. Dieses Verfahren war freiwillig und sehr transparent, was nicht der Standard ist. Trotzdem gibt es immer Gegner, ich gehe nicht davon aus, dass wir alle Bürger trotz der Möglichkeit zur Beteiligung glücklich machen können.

Am 1. Januar sind die Änderungen des Erneuerbare-Energie-Gesetzes (EEG) in Kraft getreten. Was bedeutet das für Energiegenossenschaften?

Es wird noch schwieriger für uns, neue Projekte aufzubauen. Vor der Änderung war die Höhe der Einspeisevergütung festgelegt. Man konnte so relativ genau kalkulieren, wann sich die Investition in den Bau von Windkraftanlagen rechnen wird. Seit diesem Jahr muss man nach der Genehmigungsphase an einem Ausschreibeverfahren teilnehmen. Der Bewerber, der am wenigsten Fördergelder benötigt, wird von nun an gefördert. Das ist eine massive Hürde für Bürgerprojekte, da man nun nicht mehr im Vorfeld weiß, ob man gefördert wird. Außerdem führt die Neuregelung dazu, dass sich die Projektentwicklung enorm verzögert. Die Bürger und mittelständische Unternehmen haben bisher eine große Rolle in der Energiewende gespielt. Ich fürchte aber, dass es durch die Ausschreiberegelung zu einer Bereinigung des Marktes kommen wird. Die mittelständischen Unternehmen werden nur schwer mithalten können und von den großen geschluckt. Das wollte man eigentlich nicht. Man hat extra ins Gesetz geschrieben, dass die Akteursvielfalt erhalten bleiben soll. Es ist jedoch naiv zu glauben, dass das sichergestellt wird.

Bleibt es damit bei nur einem Bürgerwindpark im Raum Bremen?

Wir wollen trotz der Hindernisse den Windbereich nicht abschreiben. In der Bremer Nachbarschaft, in den Landkreisen Verden und Rotenburg werden in den nächsten Jahren neue Windenergieanlagen entstehen. Wir wollen versuchen, mit den Projektentwicklern zu kooperieren. Leider lösen sich aber nun einige Genossenschaften auf, weil es so schwierig ist, ein Neugeschäft zu finden. Wir verhandeln gerade mit einer niedersächsischen Genossenschaft, die sich auch auflösen will, über eine mögliche Fusion.

Dadurch würde Ihre Genossenschaft wachsen.

Wir müssen größer werden, um den Bau von Windkraftanlagen stemmen zu können. Allein für die Anlage bei Langwedel brauchen wir eine Million Euro Eigenkapital. Aktuell haben wir knapp 70 Mitglieder, das reicht noch nicht für die Finanzierung des Projektes.

Obwohl sie das Geld noch nicht zusammenhaben, soll dieses Jahr gebaut werden?

Ich gehe stark davon aus, dass wir, wenn wir im Februar mit der Werbung beginnen, bis September genügend neue Mitglieder gewinnen. Wir haben Glück, dass wir das Genehmigungsverfahren für den Bau im vergangenen Jahr abschließen konnten. So müssen wir noch nicht am Ausschreibeverfahren teilnehmen und erhalten eine fixe Einspeisungsvergütung.

Das haben andere Unternehmen doch bestimmt auch versucht?

Natürlich. 2017 wird vermutlich im Windkraftausbau das stärkste Jahr aller Zeiten. Alle haben zugesehen, ihre Genehmigung noch im Vorjahr zu bekommen, und bauen sofort, um eine sichere Vergütung zu erhalten.

Sven Punke

45, ist ursprünglich gelernter Architekt. Seit 15 Jahren arbeitet er aber nun schon in der Entwicklung von Energieprojekten. Privat setzt er sich für die Bürgerbeteiligung an der Energiewende ein. So gründete er 2014 gemeinsam mit knapp 20 Mitstreitern die Genossenschaft „Bürger Energie Bremen“ (Begeno), deren Vorstand er angehört.

Wieso bauen Sie eigentlich nicht in Bremen?

Es gibt aktuell nur drei unbebaute Flächen in Bremen, auf denen man überhaupt Windräder errichten dürfte. Wir bauen in Langwedel, weil Bauvorhaben an allen drei Bremer Standorten für uns schwierig zu realisieren sind. Deswegen haben wir uns dazu entschieden, einen bereits genehmigten Windkraftanlagenstandort im direkten Bremer Umfeld zu kaufen. Es ist Quatsch zu sagen, die Anlage müsse in Bremen stehen, wenn die Bedingungen im Umland besser sind. Wir heißen zwar „Bürger Energie Bremen“, haben aber auch kein Problem damit, mit dem Umland zu kooperieren.

Es müssen ja nicht immer riesige Windkraftanlagen sein. Können wir nicht auch durch vertikale Windräder Energie im urbanen Raum produzieren?

Kleinere Windkraftanlagen mit Vertikalrotoren, also mit senkrechter Achse, könnte man zwar innerstädtisch aufbauen, sie sind aber nicht besonders effizient. Es dauert also, bis sich diese Investition lohnen würde. Im Windbereich braucht es nach wie vor Platz. Wer wirtschaftlich produzieren will, tut dies in großen Windparks außerhalb der Städte. Trotzdem sind die angesprochenen Anlagen extrem interessant. Sie haben eher Symbolcharakter und erinnern daran, dass es wichtig ist, sich auch innerstädtisch mit Windenergie zu beschäftigen.

Überzeugt es Sie auch nicht, dass die kleinen Turbinen viel weniger Lärm erzeugen? Ich könnte mir vorstellen, dass sie bei Bürgern auf weniger Widerstand stoßen.

Die kleinen Anlagen sind zwar leiser und sicher auch beliebter als die großen, aber trotzdem laut. Außerdem bleibt das Problem der Standortfrage. Meistens ist die Bebauung in den Städten zu eng, sodass nicht genügend Wind auf die Rotorblätter trifft. Vertikalanlagen müssen frei stehen, damit sie funktionieren können.