Die Wortkunde
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Wenn an einer Amtseinführung rund 50 Prozent weniger Menschen teilnehmen als bei der des Vorgängers, dann ist das ein Fakt. Nicht so für Donald Trumps Sprecher im Weißen Haus, der jüngst „alternative Fakten“ (also Lügen) präsentierte, weil ihm die Berichterstattung über die Realität nicht gefiel.

ALTERNATIVE ist ein urdemokratisches Wort: Es bedeutet, die Wahl zwischen mehreren Optionen zu haben. Oft wird es synonym zu „links-alternativ“ verwendet, eine moderne Übersetzung von „utopisch“.

Doch der emanzipatorischen Vokabel scheint ein Bedeutungswandel zu drohen: Rechtspopulisten reklamieren, eine „Alternative für Deutschland“ zu sein, ihre Wähler informieren sich in „Alternativmedien“ wie Compact oder KenFM. Und „Alternativ-Mediziner“ versprechen einfache Lösungen gegen die etablierte Schulmedizin.

Diese Beispiele spiegeln die Vertrauenskrise von Politik, Medien und Medizin wider. „Alternativ“ wird in gewissen Kreisen immer mehr wie „postfaktisch“ verwendet sowie im Sinne von „dagegen“ statt „für etwas anderes stehend“.

Ursprung des Wortes ist das lateinische „alternus“ (abwechselnd), unter dem Einfluss des Französischen kann „alternativ“ ab dem 18. Jahrhundert im deutschen Sprachraum auch „zwischen zwei Möglichkeiten die Wahl lassend“ heißen. Erst im 20. Jahrhundert erhielt der Begriff die Bedeutung, die wir heute kennen: als Schlagwort der neuen sozialen Bewegungen, die sich Ende der 1960er Jahre aufmachten, Lebensentwürfe abseits des Mainstreams zu verfolgen. „Alternativ“ heißt nun „konkurrierend mit herrschenden Normen“ und „für eine andere Lebensweise eintretend“.

Dass Ansätze für einen Bedeutungswandel von „alternativ“ zu beobachten sind, ist vielleicht ein Symptom dafür, dass linke und progressive Gruppen zu wenig glaubhafte Alternativen und Visionen anzubieten haben, an der sich jene, die von „alternativloser“ Politik frustriert sind, orientieren könnten.

Und Sprache ist mächtig: In ihr manifestieren sich Denkmodelle, Konzepte und Ideen. Das Konzept der „Alternative“ ist eine der wichtigsten Ideen, die wir haben, dank ihr wird Umdenken und gesellschaftlicher Fortschritt ermöglicht. Aufmerksamkeit ist geboten, sich diese Idee nicht von Rechten und Verschwörungstheoretikern wegnehmen zu lassen.

Erik Wenk