Schwangerschafts-App: Kopf hoch und Platz da!

Zwei neue Apps eines Anbieters sollen dafür sorgen, dass schwangere Frauen im öffentlichen Nahverkehr künftig nicht mehr stehen müssen.

Es sind vier schwangere Frauen im Profil zu sehen, die leicht versetzt nebeneinander stehen. Ihre Träger-Shirts sind hochgekrempelt, so dass ihre nackten Bäuche zu sehen sind

Schwanger, schwangerer, am schwangersten. Doch ohne App, keine Aussicht auf einen Sitzplatz Foto: dpa

Gleich zwei neue Apps unter dem gemeinsamen Namen „Babee on board“ sollen in Großbritannien für mehr Rücksicht im öffentlichen Nahverkehr sorgen – Rücksichtnahme von körperlich unbeeinträchtigten Fahrgästen gegenüber schwangeren Frauen. Wieso zwei Apps und wie soll das gehen?

Die erste Zielgruppe lädt die „Sitzplatz-anbieten-App“ herunter, Frauen mit Nachwuchs im Bauch die „Sitzplatz-anfragen“-Version. Sendet diese nun via Bluetooth das Anfrage-Signal aus, werden alle Passagiere mit passender Anbieter-App per Push-Nachricht auf ihrem Smartphone darüber informiert, dass die Schwangere soeben Bus oder Bahn betreten hat. „Kopf hoch, es könnte eine schwangere Frau in deiner Nähe sein, die einen Sitzplatz gebrauchen könnte.“, wird der oder die gewillte Sitzplatz-Abgeber_in gewarnt.

Und dann? Dann schaut man auf und schaut herum. Ja, wo ist sie denn, die Frau mit der Kugel vor dem Bauch? Kann in dem vollen Waggon unter zahllosen Frauen nicht ausgemacht werden? Nicht so schlimm, die vielleicht noch nicht so sichtbar schwangere, aber dennoch potenziell von Schwindel und Übelkeit geplagte Frau hat ja nun den Beweis für ihre Not und zeigt einfach ihre „Babee-on-Board-Anfrage“-App vor. Da all jene ohne Anbieter-App eh weiterhin mit gesenktem Kopf auf ihr Handy starren, sind Missverständnisse schon mal ausgeschlossen. So dürften sich die Entwickler des britischen Unternehmens 10X das gedacht haben.

Und was ist, wenn es doch nicht nur eine, sondern zwei oder gar drei Personen sind, die plötzlich vom Smartphone-Bildschirm aufschauen? Wie soll sich die schwangere und womöglich ohnehin vor Kreislaufkarusell schon doppelt sehende Frau entscheiden, auf wen sie nun entschlossen zugeht, um dem- oder derjenigen das eigene Telefon vor die Nase zu halten? Wie reagiert dieser Mensch wohl, wenn er nicht sofort darauf kommt, was die gute Frau mit ihrem „Babee-on-board“-Screen mitteilen möchte? „Nein sorry, ich habe mein Kleingeld heute schon gespendet.“ Oder: „Nein danke, ich möchte kein Auto kaufen“, könnten mögliche Szenarien sein.

„Smombies“ in Bus und Bahn

Im Grunde ist „Babee on board“ eine App, die die zwischenmenschliche Kommunikation im öffentlichen Raum regeln soll. Die Prämisse ist, dass das „Smombietum“, gemäß dem neologistischen Kofferwort aus Smartphone und Zombie, schon so weit fortgeschritten ist, dass auch die alltäglichsten sozialen Begegnungen nicht mehr ohne zwischengeschaltetes Medium auskommen. „Wir sollten unsere Augen benutzen, aber wenn Sie sich umschauen, zückt jeder sein Telefon sobald er oder sie sitzt.“, sagt Hew Leith, Chef-Entwickler von 10X, der BBC.

Was spricht eigentlich dagegen, dass eine schwangere Frau mithilfe ihrer Stimmbänder um einen Sitzplatz bittet, sollte ihr keiner angeboten werden – egal wie groß ihr Bauch ist? Traut sie sich nicht diesen Schritt zu gehen, wird sie sich auch nicht trauen auf eine geradeaus in den Raum schauende Person zuzugehen, in der Hoffnung diese habe gerade ihr digitales Sitzplatz-Gesuch registriert.

Das Sitzplatz-Abo kostet die schwangere Frau einmalig 3,99 Pfund. Für den Sitzplatz-Anbieter ist die App kostenlos. Ihre Erfinder möchten mit dieser Preispolitik einer missbräuchlichen Nutzung vorbeugen. Wehe, ein Mann auf Krücken kommt auf die Idee per Schwangeren-App einen Sitzplatz beanspruchen zu wollen. Immerhin kommen alle Einnahmen einer Kinder-Hilfsorganisation zugute.

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