Kommentar Hilfen für Griechenland: Sparen im Konjunktiv

Wieder wird um Hilfen für Griechenland gestritten – und Deutschland verhält sich weiter wie ein Hegemon. Das ist gefährlich und schadet der EU.

Oxi - also nein steht auf einem Plakat unter dem Bild von Wolfgang Schäuble, das als Poster in Athen hängt

Schon auf dem Höhepunkt der Krise war Deutschland ausgesprochen hart gegenüber Griechenland – das könnte sich rächen Foto: dpa

Der neue US-Präsident Donald Trump gilt längst als die größte Gefahr, die Europa je dräuen könnte. Diese Sicht ist bequem, aber verkürzt, ja sogar falsch. Die Existenz Europas entscheidet sich gerade anderswo: in Griechenland.

Hinter den Kulissen wird wieder um die Rettungspakete gerungen – und Deutschlands Finanzminister Schäuble bleibt stur. Die Griechen sollen noch mehr sparen, obwohl der Sparkurs nicht funktioniert. Das Schlüsselwort heißt „Primärüberschuss“. Gemeint ist das Plus im Haushalt, wenn man die Zinsen und Tilgung der Kredite nicht berücksichtigt.

Bis 2018 sollen die Griechen einen Primärüberschuss von 3,5 Prozent der Wirtschaftsleistung erzielen. Das ist unmöglich – obwohl die Griechen alle Sparauflagen erfüllen. Denn die ökonomische Logik ist stärker: Werden die Staatsausgaben drastisch gekürzt, bricht die Wirtschaft ein. Wo im Haushalt ein großes Plus stehen sollte, bleibt höchstens ein kleiner Überschuss.

Der IWF hat längst die theoretische Konsequenz gezogen: Ein großer Teil der griechischen Schulden müsse gestrichen werden – und der geforderte Primärüberschuss auf 1,5 Prozent sinken.

Schäuble verhält sich wie ein Diktator

Doch Schäuble ignoriert diese Realitäten und verlangt ein Sparprogramm im Konjunktiv: Die Griechen sollen jetzt schon Kürzungen beschließen, die nach 2018 greifen, falls der Primärüberschuss dann keine 3,5 Prozent beträgt. Schäuble verhält sich wie ein Diktator: Er weiß, dass seine Sparauflagen für Griechenland nicht funktionieren – sonst wäre es ja überflüssig, weitere Kürzungsprogramme zu fordern. Trotzdem wird Griechenland zur deutschen Kolonie gemacht.

Schäuble gibt den Diktator und macht Griechenland zur deutschen Kolonie

Deutsche Wähler goutieren Schäubles Stärke, doch jenseits der Grenzen verfestigt sich ein unschönes Bild: Deutschland erscheint als ein irrationaler Hegemon, der Europa dominiert und schwächere Staaten grausam quält. Das wird sich noch rächen.

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Der Kapitalismus fasziniert Ulrike schon seit der Schulzeit, als sie kurz vor dem Abitur in Gemeinschaftskunde mit dem Streit zwischen Angebots- und Nachfragetheorie konfrontiert wurde. Der weitere Weg wirkt nur von außen zufällig: Zunächst machte Ulrike eine Banklehre, absolvierte dann die Henri-Nannen-Schule für Journalismus, um anschließend an der FU Berlin Geschichte und Philosophie zu studieren. Sie war wissenschaftliche Mitarbeiterin der Körber-Stiftung in Hamburg und Pressesprecherin der Hamburger Gleichstellungssenatorin Krista Sager (Grüne). Seit 2000 ist sie bei der taz und schreibt nebenher Bücher. Ihr neuester Bestseller heißt: "Das Ende des Kapitalismus. Warum Wachstum und Klimaschutz nicht vereinbar sind - und wie wir in Zukunft leben werden". Von ihr stammen auch die Bestseller „Hurra, wir dürfen zahlen. Der Selbstbetrug der Mittelschicht“ (Piper 2012), „Der Sieg des Kapitals. Wie der Reichtum in die Welt kam: Die Geschichte von Wachstum, Geld und Krisen“ (Piper 2015), "Kein Kapitalismus ist auch keine Lösung. Die Krise der heutigen Ökonomie - oder was wir von Smith, Marx und Keynes lernen können" (Piper 2018) sowie "Deutschland, ein Wirtschaftsmärchen. Warum es kein Wunder ist, dass wir reich geworden sind" (Piper 2022).

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