Der US-Präsident und seine Politik: Wer kann Trump jetzt noch stoppen?

Wie mächtig sind Trumps Dekrete? Kann das Parlament ihn aufhalten? Können ihn Gerichte stoppen? Oder könnte man ihn tatsächlich absetzen?

US-präsident Donald Trump unterschreibt ein Dekret

Pompöse Symbolpolitik: Die Macht von Präsidialdekreten ist nicht besonders nachhaltig Foto: reuters

Was können Dekrete?

Es ist schon ein gewohntes Bild geworden: Donald Trump sitzt an seinem Schreibtisch, jemand reicht ihm eine Lederkladde, er krakelt seine pompöse Unterschrift auf das Papier – und wieder ist ein neues Dekret in Kraft, mit dem Trump die politischen Duftmarken seiner Präsidentschaft setzt.

Es ist nicht ungewöhnlich, dass neue Präsidenten in den ersten Tagen ihrer Amtszeit eine Reihe solcher Executive Orders auf den Weg bringen. Barack Obama etwa unterschrieb gleich am ersten Tag ein solches Dekret, um das Gefangenenlager in Guantánamo zu schließen. Das Lager aber gibt es bis heute – die Reichweite und Durchsetzungskraft von Präsidialdekreten hat Grenzen.

Denn solche Dekrete sind keine Gesetze, streng genommen sind sie lediglich Anordnungen, wie bestehende Gesetze zu interpretieren oder auszuführen seien. Der Präsident kann damit zum Beispiel keine Ausgaben anordnen, die nicht bereits vorher vom Kongress bewilligt worden sind. Und wenn eine Gesetzesänderung nötig ist, um eine Anordnung durchzusetzen, braucht der Präsident eine Mehrheit im Kongress.

Bücher leihen und Shoppingmalls meiden: Viele Menschen bekommen nur eine winzige Rente. Kann man so in Würde altern? Könnten 900 Euro Mindestrente etwas daran ändern? Ab wann fühlt man sich arm? Eine Geschichte über Verzicht, in der taz.am wochenende vom 4./5. Februar 2017. Außerdem: In Nicaragua tut sich Unglaubliches. Ein Reisebericht. Und: Ein Gespräch mit der Friedensforscherin Heela Najibullah, Tochter des früheren Präsidenten Afghanistans. Das alles und noch viel mehr – am Kiosk, eKiosk oder im praktischen Wochenendabo.

Obamas Wunsch, Guantánamo zu schließen, scheiterte vor allem daran, dass der Kongress es strikt ablehnte, den Transfer von in Guantánamo einsitzenden Gefangenen in US-Gefängnisse zuzulassen. Anderes Beispiel Kuba-Politik: Die ab Dezember 2014 eingeleitete diplomatische und in Teilen wirtschaftliche Öffnung zur kommunistischen Insel bewerkstelligte Obama ausschließlich auf der Basis von Präsidial­dekreten – vollkommen auf­heben konnte er die Wirtschaftsblockade allerdings nicht, denn sie ist in mehreren Gesetzen verankert, die nur der Kongress aufheben kann. Und wenn Trump wollte, könnte er große Teile der Öffnung auch wieder rückgängig machen.

Wer kann gegen Dekrete vorgehen? Wie bei dem von Trump vor einer Woche verhängten temporären „Muslim-Ban“, dem Einreiseverbot für Menschen aus sieben Ländern mit überwiegend muslimischer Bevölkerung, gesehen, können Bundesgerichte die präsidentiellen Anordnungen ganz oder teilweise außer Kraft setzen, wenn sie sie für verfassungswidrig halten. Im Zweifel kann ein solcher Rechtsstreit bis zur letzten Instanz gehen, dem Obersten Gerichtshof.

Aber auch der Kongress kann Gesetze verabschieden, die Anordnungen außer Kraft setzen. Die könnte allerdings wiederum der Präsident per Veto stoppen, woraufhin es eine Zweidrittelmehrheit im Kongress bräuchte, um das Veto zu überstimmen. Das alles kommt selten vor, erst recht, wenn Präsident und Kongressmehrheit aus der gleichen Partei stammen.

In jedem Fall enden die Anordnungen dann, wenn ein neuer Präsident sie einfach wieder zurücknimmt – so geschehen gerade mit Obamas Dekreten, die den Bau der Keystone XL und der Dakota Access Pipeline gestoppt hatten. Will ein Präsident seine Politik langfristig verankern, muss er auf die Mit­arbeit des Kongresses hoffen.

Wie mächtig sind die Gerichte?

Wer sich einmal näher mit Donald Trumps unternehmerischer Vergangenheit beschäftigt, wird merken: Trump ist beinahe vollkommen gleichgültig gegenüber Regeln, Konventionen – und letztlich Gesetze. Zigmal ist er wegen krummer Geschäfte oder glatten Betrugs verklagt worden, meist hat er verloren, noch öfter hat er sich in einen Vergleich gerettet und dabei festgelegt, dass die getroffenen Regelungen geheim bleiben.

Die ersten Wochen Trump-­Regierung zeigen die gleiche Tendenz. Kein Wunder also, dass der unabhängigen Justiz eine besondere Bedeutung zugemessen wird. Derzeit gibt es in den USA knapp 900 Bundesrichter. Dazu zählen die Richter des Obersten Gerichtshofes, der 13 Bundesberufungsgerichte und der 94 Bundesbezirksgerichte.

Alle Bundesrichter auf allen Ebenen werden vom Präsidenten ernannt, müssen vom Senat bestätigt werden und haben ihren Job auf Lebenszeit – anders als die Bun­desstaats­­an­wälte, die lediglich für vier Jahre ernannt werden.

Die Ernennung auf Lebenszeit soll die Unabhängigkeit der Richter sicherstellen. Sie müssen nicht befürchten, wegen unliebsamer Urteile wieder abgesetzt zu werden. Allerdings: Sie können aufsteigen. Der jetzt von Donald Trump für den Obersten Gerichtshof nominierte Neil Gorsuch etwa diente seit 2006 als Richter bei einem Bundesberufungsgericht in Colorado: Seine konservativen Urteile können ihm helfen, unter einem republikanischen Präsidenten aufzusteigen.

Für die aktuellen Auseinandersetzungen über den von Donald Trump verhängten „Muslim-Ban“ waren die Bundesbezirksgerichte bislang die entscheidende Instanz. Eine Richterin vom Bundesbezirksgericht in Brooklyn, New York, entschied noch am 29. Januar auf einen Eilantrag von Anwälten der Bürgerrechtsorganisation ACLU, dass niemand einfach abgeschoben ­werden dürfe. Minuten später entschied eine Bezirksrichterin in Virginia, dass Menschen mit legalem Aufenthaltsstatus und Arbeitserlaubnis in den USA nicht abgewiesen werden dürften. Ein halbes Dutzend weiterer Entscheidungen folgten.

Versucht die Regierung, solche Entscheidungen anzufechten, geht es in die nächsten Instanzen, bis hoch zum Obersten Gerichtshof. Dessen Wort ist endgültig. Wenn er, wie im vergangenen Jahr aufgrund der ­Vakanz eines der neun Richtersitze nach dem Tod von Richter Antonin Scalia öfter geschehen, nur ein Patt von 4 zu 4 Richterstimmen produzieren kann, bleibt die Entscheidung der unteren Instanz bestehen.

Die republikanischen Mehrheiten in beiden Kammern des Kongresses machen einen Widerstand der Legislative gegen Trumps Politik sehr unwahrscheinlich. Das zusammen mit Trumps Neigung, Regeln einfach zu missachten, lässt die Vermutung zu: Die Gerichte werden alle Hände voll zu tun be­kommen.

Wie wird man einen Präsidenten los?

Den US-Präsidenten abzusetzen ist fast unmöglich. Eine politisch motivierte Entmachtung, etwas wie ein konstruktives Misstrauensvotum, gibt es in den USA im Gegensatz zu Deutschland nicht.

Die US-Verfassung kennt zur Absetzung eines Präsidenten nur zwei Wege, versucht worden ist bislang nur einer: das Amtsenthebungsverfahren, englisch impeachment. In der Verfassung steht dazu in Artikel II, Abschnitt 4, ein einziger Satz: „Der Präsident, der Vizepräsident und alle Zivilbeamten der Vereinigten Staaten werden ihres Amtes enthoben, wenn sie wegen Verrats, Bestechung oder anderer Verbrechen und Ver­gehen unter Amtsanklage gestellt und für schuldig befunden worden sind.“ Das klingt einfacher, als es ist.

Im Prinzip kann ein einzelnes Mitglied des Repräsentantenhauses den Antrag auf Amtsenthebung des Präsidenten stellen, wenn er oder sie Hinweise auf kriminelles Verhalten hat. Zunächst der Geschäftsordnungs-, dann der Justizausschuss befinden darüber, ob ein hinreichender Verdacht gegeben ist. Falls ja, formulieren sie eine entsprechende Anklage, die schließlich vom Plenum abgestimmt wird.

Entscheidet das Repräsentantenhaus mit einfacher Mehrheit für die Amtsenthebung, geht das Verfahren im Senat weiter, wo es im Stil eines Strafprozesses geführt wird, mit dem Chefrichter des Obersten Gerichtshofes als Vorsitzendem. Der beschuldigte Präsident kann eine Verteidigung aufbauen, Anwälte hinzuziehen. Wenn am Ende zwei Drittel der Senatoren für die Amtsenthebung stimmen, ist er abgesetzt – und kann strafrechtlich verfolgt werden.

Zwei Präsidenten, Andrew Johnson und Bill Clinton, wurden vom Repräsentantenhaus impeached, vom Senat aber freigesprochen. Richard Nixon trat zurück und entkam so einer drohenden Amtsenthebung. Deutlich wird: Auch wenn das Verfahren im Stile eines Strafprozesses geführt wird, braucht es doch parlamentarische Mehrheiten, um es überhaupt zu beginnen.

Die zweite Möglichkeit, einen Präsidenten gegen seinen Willen loszuwerden, beruht auf dem Artikel 4 des 25. Verfassungszusatzes. Wenn der Vizepräsident und eine Mehrheit der Kabinettsmitglieder den Präsidenten dem Kongress gegenüber für unfähig erklären, sein Amt auszuüben, übernimmt unverzüglich der Vizepräsident. Sobald der Präsident selbst allerdings schriftlich mitteilt, dass er durchaus fit ist, ist er wieder am Drücker – es sei denn, Vizepräsident und Kabinettsmehrheit widersprechen. Wenn daraufhin beide Kammern des Kongresses mit Zweidrittelmehrheit den Präsidenten für amts­unfähig erklären, übernimmt der Vizepräsident.

Das ist allerdings noch nie vorgekommen. Und Donald Trump würden vermutlich sehr viele US-Amerikaner für amtsunfähig halten, nicht jedoch seine Kabinettsmitglieder.

Historisch gesehen ist Mord am wirksamsten. Vier der 45 US-Präsidenten fielen Attentaten zum Opfer, zuletzt John F. Kennedy 1963.

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