Debatte Umgang mit Rechtspopulismus: Fairness first

Trump & Co. nur auszulachen, bringt uns nicht weiter. Wir müssen komplexe Zusammenhänge vermitteln, anstatt sie zu unterschlagen.

Donald Trump sieht nicht glücklich aus

Lachen hilft hier auch nichts Foto: dpa

Es gibt neuerdings ein schönes Werbevideo für die Niederlande. Es ist zynisch, böse, klug – und es nimmt das beklemmend nationalistische Versprechen des neuen amerikanischen Präsidenten lässig auf die Schippe. „We understand, it’s America first. But can we just say: Netherlands second?“ Der Film ist zu einem YouTube-Hit geworden, und auch ich habe einen Samstag vor allem damit verbracht, dieses Video und die nachfolgenden Satire-Parodien aus anderen europäischen Ländern anzusehen.

Dabei möchte ich eigentlich keinen einzigen Witz mehr über Donald Trump lesen, sehen oder hören, auch nicht über Frauke Petry, Geert Wilders oder Marine Le Pen, so satirisch schlau die „America first, EU second“-Persiflagen sind. Komik droht in Gewöhnung umzuschlagen. Trump und seine europäischen Kollegen kann man aber leider nicht einfach weglachen. Einer der alles andere als alternativen Fakten, die Trump und sein Unterstützerstab kreiert haben, ist schließlich jener, dass er Präsident der USA geworden ist. Not so funny.

Trump mag lächerlich wirken oder sich zumindest so geben, so wie das absurde Theater sich des Lächerlichen bedient, um uns die Bodenlosigkeit unserer Existenz aufzuzeigen. Trump aber zeigt nicht auf, er inszeniert und instrumentalisiert diese Bodenlosigkeit, er erhebt sie zum Prinzip seines Tuns oder dessen, was er als Kulisse seines Tuns aufbaut. Was hinter der Kulisse abläuft, etwa der Umbau des nationalen Sicherheitsrats, übersehen wir dann allzu schnell, während wir uns amüsieren und denken, dass man so schnell die alte Realität eben nur in einer Latenight-Show abschaffen kann.

Doch wenn es um Macht geht, können manche viel. In der Postmoderne kommt man ohnehin mit dem gewagtesten Stilmix durch. Da ist schon ein italienischer Klempner zum Helden geworden, weil er auf Schildkröten gesprungen ist und gegen riesige Fische gekämpft hat. Nichts hat dabei Sinn ergeben – und doch hat Super Mario meine Generation vermutlich stärker geprägt, als es Shakespeare auch nur im Ansatz vermochte.

Gottvater auf Twitter

Trump ist einen Schritt weiter als Super Mario. Er (oder sein Chefberater Steve Bannon) hat augenscheinlich begriffen, dass Geschichte in der Postmoderne wie eine Einbauküche von Ikea funktioniert: Man kombiniert die Arbeitsfläche Sparta mit den Griffen Madison, der Mischbatterie Adolf und den Türen Nils, weil die an ­Wildgänse denken lässt und an sympathische Kinderträume. Es ist immer gut, wenn die anderen träumen, während man selbst agiert. Und wer meint, dass die Zucchini, die auf der Arbeitsfläche geschnitten wird, doch eine Gurke ist, wird in der Produktbeschreibung daran erinnert, dass wir den Glauben an die mystische Verbindung von Wort und Wirklichkeit eh längst verloren haben. Alles ist relativ. Alles ist alternativ. Zum Trost gegen den Verlust an feststehender ­Wirklichkeit kann man den postmodernen Gottvater auf Twitter abonnieren.

Man sollte es vielleicht sogar tun, aber nicht jeden Tweet – und sei es auch durch Ablehnung – feiern. Den Gegner schlägt man selten auf seinem eigenen Spielfeld. Besser ist es, genau zu wissen, welche Figuren er dort aufgestellt hat. Und wenn man die eigene Aufmerksamkeitsspanne wieder so weit bringt, dass sie länger als für eine Facebookstatusmeldung bei einem bleibt, wäre noch nicht die Partie, aber immerhin schon mal ­etwas gewonnen. Ich halte nicht viel von Diäten, aber eine vorübergehende Social-Media-Abstinenz scheint mir gar nicht so verkehrt. Bücher zu lesen wäre eine gute Alternative. Hannah Arendt zum Beispiel: „Über die Revolution“. Oder eben Shakespeare.

Wenn man Tage damit verbringt, sich über die scheinbare Dummheit des Trumpismus aufzuregen, kann man auch mal einen Abend auf „Titus Andronicus“ verwenden. Bannon zumindest hat dieses Rachedrama nicht nur gelesen, sondern sogar für den Film adaptiert. Er wird gelernt haben, dass, wem man die Zunge herausschneidet und die Hände abhackt, immer noch einen Stift zwischen die Lippen nehmen kann, um ein Verbrechen anzuzeigen.

Kreative Begeisterung

Und, solange man eine Zunge hat: Reden hilft. Gefährlichen Vereinfachungen und dem Schüren von Ängsten, die mit zweifelhaften Versprechen besänftigt und instrumentalisiert werden, kann man nur etwas entgegensetzen, wenn man zumindest etwas von den Populisten lernt: Wieder mit dem Populus zu sprechen und nicht über diesen hinweg. Das bedeutet nicht, Komplexität von politischen Zusammenhängen oder Konsequenzen von Entscheidungen zu unterschlagen – sondern sich zu bemühen, diese zu vermitteln. Klar, wer Zustimmung für einen Vorschlag will, wird die Vorteile herausstreichen. Aber erst, wenn Pro wie Kontra offen auf dem Tisch liegen, lässt sich zwischen den Optionen tatsächlich entscheiden. Und im Wettbewerb um Glaubwürdigkeit könnte langfristig doch jener Beitrag gewinnen, der auch die Effekte mitdiskutiert, die der eigenen Zielsetzung abträglich sind. Fairness first.

Das widerspricht übrigens nicht der Idee, für das eigene Anliegen zu werben. Klicke ich mich durch die offizielle Internetpräsenz der EU, bekomme ich schnell den Eindruck, eine finanziell und personell schlecht aufgestellte Organisation sei von der plötzlichen Einführung des Internets überrascht worden und habe Hals über Kopf und etwas widerwillig eine Filiale in diesem seltsamen Medium eröffnet. Demokratie muss, nein, sie soll nicht wie ein Freizeitpark aussehen, aber es ist schon erstaunlich, dass Comedy-Fernsehredaktionen von Portugal bis Litauen in wenigen Tagen klügere und hintergründigere Werbevideos für Europa entwickelt haben, als es die EU während ihres gesamten Bestehens geschafft hat.

Das gilt übrigens nicht nur für die „politische Elite“, sondern für uns alle: Wir müssen nicht geschlossen euphorische Verfassungspatrioten werden, aber ohne ein wenig engagierte und auch kreative Begeisterung für das rechtsstaatliche Projekt wird es ­gegen die Wand fahren. Und dann sind nicht einmal mehr die Parodien lässig.

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Jahrgang 1982, ist Schriftstellerin und lebt in Berlin. Zu ihren wichtigsten Romanen zählen „Gesellschaft mit beschränkter Haftung“ (2012) und „36,9°“ (2015). Am 20. Februar erscheint bei Hanser ihr Reportageband „Rotlicht“.

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