Unfallforscher über Verkehrssicherheit: „Mehr Regen macht weniger Unfälle“

Die Zahl der Verkehrstoten ist so niedrig wie seit 60 Jahren nicht.​ Der Unfallforscher Siegfried Brockmann erklärt, woran das liegt.

Kaputtes Mororrad auf einer Wiese

Ein Motorrad nach einem Unfall Foto: dpa

Herr Brockmann, die Zahl der Verkehrstoten ist 2016 um 7,1 Prozent auf 3.214 gesunken. Ein Erfolg?

Siegfried Brockmann: Natürlich ist das erfreulich. Allerdings sagt die Zahl mehr über das Wetter aus als über die Verkehrssicherheit. Der Rückgang ist vor allem auf die gesunkene Anzahl von Motorradunfällen – die überproportional tödlich enden – zurückzuführen. Wenn es an Wochenenden häufig regnet, sind weniger Motorradfahrer unterwegs. Ergo gibt es weniger Unfälle.

Was bedeutet das für das Gesamtbild?

Will man tatsächlich etwas über die Verkehrssicherheit erfahren, muss man sich die langfristige Entwicklung angucken. Hier stagnierte die Zahl der Verkehrstoten in den letzten Jahren. Ob der jetzige Rückgang einem Trend entspricht, müssen die kommenden Jahre zeigen.

Gegen diesen Trend sprich, dass die Zahl der Verkehrsunfälle und Verletzten leicht gestiegen sind.

Die Zahl der Unfälle oszilliert seit Jahren um einen bestimmten Wert, unabhängig davon, ob die Zahlen der Verkehrstoten steigen oder nicht. Da werden auch Blechschäden erfasst, die mit den Bemühungen in der Verkehrssicherheit vergleichsweise wenig zu tun haben. Die ungleiche Entwicklung von Verkehrstoten und Verletzten bestätigt lediglich, dass es sich bei ersteren vor allem um einen um einen Rückgang der Motorradunfälle handelt. Da diese häufig tödlich enden, kann man von einer sinkenden Anzahl von toten Motorradfahrern nicht auf eine allgemeine Verbesserung der Verkehrssicherheit schließen. Genau das zeigt die Zahl der Verletzten.

Siegfried Brockmann, 58, ist Politikwissenschaftler und Kfz-Mechaniker. Er leitet die Unfallforschung der Versicherer (UDV).

Die Zahl tödlich verunglückter Radfahrer ist gestiegen. Wird Radeln gefährlicher?

Nein. Wir haben schlicht mehr Radfahrer auf den Straßen, folglich steigen auch die Unfallzahlen. Das nützt natürlich den Ge­töteten nichts. Wir mahnen schon länger an, dass wir uns beim Thema Verkehrssicherheit mehr auf die Städte konzentrieren müssen.

Wie werden Städte im Verkehr sicherer?

An vielen Verkehrsknotenpunkten brauchen wir bessere Sichtbeziehungen zwischen Rad- und Autofahrern. Ein anderes Problem sind Handys. Die Generation, die mit Smart­phones aufgewachsen ist, kommt langsam in das Führerscheinalter. Da müssen wir uns Gedanken machen, wie wir mit der sinkenden Aufmerksamkeitsfähigkeit im Straßenverkehr umgehen.

Beim Autoverkehr setzt man bezüglich Verkehrssicherheit große Hoffnung in das automatisierte Fahren. Zu Recht?

Ich halte diese Hoffnungen für total überzogen. Erstens befinden wir uns momentan in einer Übergangsphase der Teilautomatisierung. Der Fahrer muss immer noch die gesamte Verkehrslage überwachen. Das fällt jedoch zunehmend schwerer, wenn dem Autofahrer suggeriert wird, dass im Grunde die Software allein für Sicherheit sorgt. Zweitens sind die meisten Automatisierungen nur auf Autobahnen anwendbar. Den innerstädtischen Verkehr, also da, wo wir zunehmend Sicherheitsprobleme haben, können diese System wohl auf lange Zeit noch nicht beherrschen.

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