„Brüh im Lichte“ endlich moderner: BRD featuring DDR

Die Nationalhymne, das „Deutschlandlied“, soll flotter werden. Dank der Melodie von „Auferstanden aus Ruinen“.

Ein Einkaufswagen gefüllt mit Bildern und Schildern aus der DDR

Der Einkaufswagen der Nostalgie ist prall gefüllt. Hier bei einer Ausstellung in Dresden Foto: dpa

Mit der Hymne gibt es immer Ärger, so oder so. Jüngst wieder mit dem Deutschlandlied: Bei der Eröffnungszeremonie der Tennis-Veranstaltung Fed Cup sang der Solist auf dem Center Court in Lahaina auf der Insel Maui bei der Nationalhymne die komplette erste Strophe des Deutschlandliedes, also ausgerechnet die, die mit den Worten „Deutschland, Deutschland über alles“ beginnt und explizit NICHT gesungen werden soll. Die derart falsch besungenen Tennis-Damen waren außer sich, Bundestrainerin Barbara Rittner sprach gar von einem „Scheißtag“.

Immer wieder kommt es, gerade in Sportzusammenhängen, zu Hymnen-Entgleisungen, legendär das von Sarah Connor 2005 intonierte „Brüh im Lichte“ anlässlich des Eröffnungsspiels der Münchener Allianz-Arena. Aber mal ehrlich: Wer kennt schon den kompletten Text der deutschen Nationalhymne? Und wer findet sie wirklich schmissig?

Die Petition 69525, anonym eingereicht beim Deutschen Bundestag Anfang Februar, will nun aufräumen mit dem Chaos: Aus zwei alten deutschen Nationalhymnen, Fallerslebens „Deutschlandlied“ und der Becher-Hymne „Auferstanden aus Ruinen“ (Musik: Hanns Eisler), soll eine neue Hybrid-Hymne werden. Musik Hanns Eisler, Text der ersten beiden Strophen Johannes R. Becher, dritte Strophe dann wieder von Fallersleben.

Die jetzige Hymne sei „schleppend, gerade zu einschläfernd“, heißt es in der Petition, während die Hymne der DDR „hoffnungsvoll und antreibend“ klinge, wodurch sie sich auch hervorragend zur Begleitung sportlicher Veranstaltungen eigne – ein in der Tat interessanter Punkt, wird doch die Hymne hierzulande meist im Rahmen von Sportveranstaltungen intoniert und weniger in politischen Zusammenhängen (Staatsbesuche, Pegida-Aufmärsche). Zudem, so heißt es weiter in der Petition, wäre eine solche Verschmelzung „ein weiteres Zeichen der deutschen Wiedervereinigung“ – wenn es denn hülfe, also die Pegida-Aufmärsche fürderhin unterblieben?

Chaos-Gefahr

Die Hybridisierung könnte tatsächlich in einer Win-win-Situation münden. Hatte die eine Hymne ein partielles Strophen-Problem, „Deutschland, Deutschland über alles“, wurde der anderen in den siebziger Jahren der Text gleich ganz abgedreht, weil man in der DDR nun nicht mehr auf Wiedervereinigung, sondern auf Mauer setzen wollte und die Zeile „Deutschland einig Vaterland“ nicht mehr gebraucht wurde. Musikalisch hingegen ist die Ost-Hymne auf dem neueren Stand, 20. statt 19. Jahrhundert, Berlin 1949 statt Helgoland 1841. Legendär die Auseinandersetzung um die ersten Takte der Hymne, die Eisler angeblich dem Schlager „Goodbye Johnny“ von Peter Kreuder aus dem Hans-Albers-Film „Wasser für Canitoga“ aus dem Jahre 1939 entnommen haben soll.

Musikalisch stünde der Aktion auch nichts im Weg: Der Text der Becher-Hymne könnte auf die Melodie des Deutschlandliedes gesungen werden, genauso wie der Text des Deutschlandliedes umgekehrt auch auf die Eisler-Melodie gesungen werden kann.

Unklar bliebe jedoch, ob es in Zukunft wirklich besser würde mit den Verwechslungen und „Scheißtagen“ für den Sport. Wer dieses Fass öffnet, muss letztlich mit allem rechnen. Erste Strophe August Heinrich Hoffmann von Fallersleben mit Hanns-Eisler-Melodie, zwei Strophen Johannes R. Becher mit Deutschlandlied-Sound. Nur Fallersleben-Text und Eisler-Melodie. Und was Sarah Connor daraus alles machen könnte, weiß kein Mensch.

Und auch ein weiteres Problem bleibt zu bedenken bei all der Singerei: Nur wenn der Initiator innerhalb von vier Wochen 50.000 Unterstützer gewinnen kann, erreicht eine Petition das nötige Quorum. Dann kann der Initiator sein Anliegen mit den Abgeordneten in einer öffentlichen Sitzung des Petitionsausschusses des Bundestags diskutieren.

Ob es also klappen könnte mit der neuen Hymne, entscheidet sich bis zum 3. März. Bislang sieht es nicht so aus: Erst 160 Leute haben unterschrieben.

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