Album „Culture“ von Migos: Skurr skurr, brra!

Mit ihrem neuen Album erheben die drei Rapper von Migos aus Atlanta Anspruch auf den HipHop-Thron. Fest steht: Sie beherrschen ihren Trap.

Die drei Rapper von Migos posieren mit Frauen und Skibobs im Schnee

Wissen die Tanten von den Skibobs? Migos mit Bitches Foto: David Rams

Quavo, Takeoff und Offset sind eingeschnappt – daraus machen die drei Rapper aus Atlanta mit dem Crew-Namen Migos überhaupt keinen Hehl. „Es gibt Künstler, die weit berühmter sind als wir, aber sie haben die Anerkennung ausschließlich für unseren Flow bekommen“, erklärte Offset anlässlich der Veröffentlichung des neuen Migos-Albums, „Culture“, dem US-Internet-Musikmagazin ­Fader. „Wir haben sehr viel für HipHop getan.“

Damit spielt der 25-jährige Kiari Cephus, wie Offset bürgerlich heißt, auf den charakteristischen Flow von Migos an. Flow, das bedeutet im Rap die Art und Weise, die Silben auf den Beats auszubreiten, sie darüber fließen zu lassen. Und bei Migos fließen meist je drei Silben zwischen zwei Takten. 2013 trug es sich zu, dass Migos den Song „Versace“ (Ver-sa-ce, Sie ahnen das Spielchen!) veröffentlicht haben. Aber erst nach einem Remix zusammen mit dem kanadischen Rapstar Drake, der dabei ihren Flow adaptierte, ging der Song durch die Decke. Künstlerpech!

Andere Konkurrenten folgten dem Beispiel von Drake, kopierten Migos’ Rap-Stil, während sich die Rapper aus Atlanta übergangen fühlten. Angefügt sei hier nur, dass die Gruppe Three Six Mafia aus Memphis jenen Dreisilben-Stil bereits 1994 angewendet hatte – was soll’s: Migos haben Flow in den letzten Jahren definitiv wiederbelebt und weiterentwickelt. Nicht umsonst wird der Stil inzwischen Migos- oder Versace-Flow genannt.

Nun also veröffentlichen die drei Künstler „Culture“. Mit diesem düsteren neuen Werk erhebt das reichlich angesäuerte Trio Anspruch auf den HipHop-Thron. Nach einer Kaskade von Mixtapes und dem Debütalbum „Yung Rich Nation“ (2015) tönt es auf dem neuen Album leider erst mal reaktionär, was HörerInnen schon in den ersten paar Sekunden entgegengebrüllt wird. „Leugnet ihr, dass Migos Teil der Kultur sind?“, schreit Featuregast DJ Khaled.

Was danach folgt: düstere, nachtragende Bässe, ratternde Hi-Hats und viel zu laute Snare­schläge. Migos beherrschen ihren Trap, so heißt die tief in der DNA Atlantas verwurzelte Spielart von Rap.

Stumpf-schöner Atlanta-Rap

Ursprünglich war Trap in den Neunzigern entstanden. Seine Klangsignatur basiert auf dem Drumcomputer TR-808 von Roland, übrigens genau wie das Südstaaten-Genre Miami Bass. Gleichzeitig ist Trap auch Slangausdruck für einen Ort, an dem Drogen verkauft und konsumiert werden. In den nuller Jahren waren die stilprägenden Trap-Künstler Young Jeezy und Gucci Mane – beide aus Atlanta. Dass Gucci Mane nun einen Gastauftritt auf „Culture“ hat, kommt für Migos einer Adelung gleich.

Auf „Slippery“ rappen Gucci und seine Nachkömmlinge über Kroketten, Frauen (Pardon: Bitches), Air Jordans, Codein-Hustensaft und ihre Tanten. Migos sind nämlich untereinander verwandt. Weniger bizarr wird es inhaltlich kaum, aber gehaltvoller auch nicht. Würden Migos eine Gleichstellungsbeauftragte beschäftigen, sie hätte viel zu tun.

Migos: „Culture“ (Quality ­Control/300 Entertainment/Atlantic), seit 27. Januar

Bei allen – auch textlichen – Kontroversen, musikalisch ist „Culture“ ein energiegeladenes, konsequent stumpf-schönes Dokument von Atlanta-Rap 2017. Das liegt auch an den seltsamen Lauten, die die Rapper zwischen die Zeilen einstreuen, sogenannte Adlibs: „Skurr skurr“, „Brra“ und „Ahh“ sind einige dieser nonverbalen Einwürfe, bei denen konservative HipHop-Fans Hühnerpelle bekommen und die Nackenhaare aufstellen. Derweil setzt die Generation Snapchat kollektiv zum Dab an, jenem Tanz, den Migos berühmt gemacht haben und den auch schon Hillary Clinton bei der US-Talkerin Ellen ­DeGeneres vollführt hat.

Allein 131.000 Mal ging das Migos-Album in der ersten Verkaufswoche über die US-Ladentische, es gab mehr als 116 Millionen Streams. Ziemlich erfolgreich für junge Künstler, die sich laut Eigenaussage auf dem Track „Call Casting“ bis vor Kurzem einseitig von Nudeln ernährt haben („We came up from noodles“).

Dass mit „Culture“ allerdings eine neue Zeitrechnung im HipHop beginnen würde, wie andernorts zu lesen war, dafür fehlen die Belege. Das Album ist zwar ein in sich geschlossenes Trap-Lehrstück, für das Migos hoffentlich nun bald die verdiente Anerkennung bekommen, bis zur Genrerevolution dauert es aber noch ein paar Stündchen.

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