„FAS“-Kommentar zu Deniz Yücel: Über den „Türken vom Dienst“

War es, wie die „FAS“ findet, falsch, dass die „Welt“ einen türkischstämmigen Journalisten in die Türkei geschickt hat? Ein Pro und Contra.

Ein Mann hat einen Aufkleber mit dem Länderkennzeichen «D» und dem Schriftzug «Deniz» steht am 19.02.2017 in Berlin ebi einem Autokorso auf der Straße

Deniz, Deutschland, Dürkei – Teilnehmer einer Demonstration für die Freilassung Yücels in Berlin Foto: dpa

JA

„Einmal Türke, immer Türke?“, fragt die FAS in ihrem Kommentar zur Verhaftung von Deniz Yücel. Der Zeitpunkt ist unglücklich, Yücel taugt nicht wirklich als Aufhänger der Debatte, die Autor Michael Martens anzettelt.

Yücel schrieb bei Jungle World und in der taz immer über alles Mögliche; der Job als Türkei-Korrespondent war dennoch sein Herzenswunsch. Trotzdem berührt die Debatte einen wunden Punkt des Journalismus: Warum werden Minderheiten meistens in die Ecke geschoben, aus der sie kommen? Warum müssen Minderheiten dafür sorgen, dass „ihre“ Themen ins Blatt kommen? Das betrifft nicht nur türkischstämmige Journalist_innen.

Menschen mit Behinderung – wenn es sie in Redaktionen gibt (was sehr selten ist) – müssen zur Stelle sein, sobald es um Beeinträchtigungen geht. Lesben und Schwule schreiben über Homothemen – heterosexuelle Kolleg_innen geben sich ungern damit ab. Als es in einer Redaktionskonferenz um Antisemitismus ging, fragte tatsächlich ein Redakteur: „Ist hier einer Jude?“

Diese Spezialisierung qua Diskriminierung hat zwei Seiten: Natürlich kennen trans* Kolleg_innen die besondere Lebenssituation von Trans* besser als Cis-Kolleg_innen. Natürlich schreiben sich Texte über Diskriminierung aufgrund von nichtweißer Hautfarbe fundierter, wenn man die Diskriminierung selbst erlebt hat.

Doch Journalismus darf nicht Betroffenenjournalismus sein. Eine Diskussion über den Umgang mit Minderheiten in Redaktionen ist überfällig. Auch wenn Deniz Yücel dafür nicht den Anlass liefert.

MALTE GÖBEL

***

NEIN

Es ist eigentlich eine progressive Idee, die FAZ-Korrespondent Michael Martens in seinem Kommentar in der FAS „Einmal Türke, immer Türke“ streift: nämlich, dass Journalist_innen nicht auf ihre Biografien reduziert werden sollten. Über das Streifen kommt er aber nicht hinaus. Mehr noch; am Ende tut Martens genau das, was er eigentlich kritisiert.

Es gebe „viele Menschen, die die Sprache eines Landes gut beherrschen und das Land dennoch oder just deshalb fließend missverstehen“, schreibt Martens. Die überspitzte Zusammenfassung seines Kommentars würde in etwa lauten: Schickt diese Türk_innen doch lieber in andere Länder. Über ihr Land – und als solches empfinden sie die Türkei ja sicher – können die doch eh nicht sachlich und objektiv berichten.

„Die Verlage schulden den Lesern Journalisten, nicht Türken vom Dienst, eingezwängt in das Prokrustesbett ihrer Biographien“, lautet sein Schlusswort. Prokrustes ist eine Figur der griechischen Sage; ein Räuber, der Wanderer in ein für sie unpassendes Bett presste, indem er Gliedmaßen abhackte oder mit Gewalt streckte.

Dass Yücel, um den es hier konkret geht, hervorragende Berichterstattung geliefert hat – geschenkt. Und ja, Martens schreibt „Türken vom Dienst“ – ohne Anführungszeichen. Damit stempelt er selbst die im Text genannten Journalist_innen Yücel und Özlem Topçu von der Zeit auf ewig als „Türken“ ab.

Martens schafft es, eine progressive These vollkommen ins Gegenteil zu verkehren. Denn ganz offensichtlich gilt auch für ihn: „Einmal Türke, immer Türke.“

DINAH RIESE

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