Anna Depenbusch singt selbstbestimmt: Souverän im Gefühle-Wechselbad

Die Hamburger Chansonnière Anna Depenbusch besingt auf ihrem neuen Album „Das Alphabet der Anna Depenbusch“ kapriziöse, aber selbstbestimmte Frauen

Absolut stilsicher: Anna Depenbusch schwatzt nicht nur der deutschen Sprache Eleganz ab Foto: Miguel Ferraz

Sie singt: „Immer wenn mein Herz sich überschlägt, macht es Sinn“ – und man nimmt es ihr ab und findet es überhaupt nicht kitschig. Alltagssituationen, Gefühlszustände oder das Lebensgefühl, Teil eines Agentenfilms zu sein: Lauter kleine Chanson-Kurzgeschichten finden sich auf Anna Depenbuschs neuem Album „Das Alphabet der Anna Depenbusch“.

Meist spielen Frauen die Hauptrolle. Die sind kapriziös, aber immer selbstbestimmt, hochgradig romantisch, aber nicht so unangenehm männerhörig wie die vielen anderen jungen Frauen, die über die Liebe singen. Oft ist in den Songs der Hamburgerin nicht mal klar, ob sie gerade die Liebe oder die Freundschaft besingt. Wenn sie im Titelsong „Alphabet“ eine Romanze mit einem schon Vergebenen besingt, spielen Eifersucht und Gefühlsbäder eine große Rolle. Aber zugrunde geht die Verschmähte daran nicht: “J wie jaja, ich hab schon verstanden / es ist K kompliziert, wegen ’ner Andren“.

Bei aller Leichtfüßigkeit geht es um die ganz großen Gefühle: um die Liebe, die Sehnsucht, um die Freiheit, oft auch darum, aus tiefen Löchern wieder herauszukriechen und furchtlos weiter durchs Leben zu tanzen. „Ich habe keine Angst vor Kitsch“, sagt Depenbusch. „Ich merke aber auch, dass die Stimme viel ausbalancieren kann.“ Auch textlich wechselt sie souverän zwischen Ernsthaftigkeit, Verletzlichkeit und einer guten Portion Humor und Selbstironie. Dann klingt sie manchmal fast rotzig – was man im Chanson auch erst einmal schaffen muss.

„Ich bin ein großer Freund von Brüchen, und auch vom Wechsel zwischen kleinen Alltagsdingen und dem ganz Großen“, sagt sie. Dabei bekennt sich Depenbusch – und wer tut das noch in diesen Zeiten! – zum Optimismus: „Ich habe einfach eine Grundzuversicht. Wie Oma sagt: Es gibt nichts, das so schlecht ist, dass nicht auch was Gutes drin ist.“ Sie habe immer das Gefühl, dass sie aus schlechten Phasen gestärkt herausgehe. „Ich merke auch, dass ich solche Menschen spannender finde“, sagt sie: „Menschen, die wieder aufstehen.“

Wieder aufgestanden ist auch Depenbusch, nachdem die Entstehung des Albums erst mal holprig war: Vor zwei Jahren gingen die Betreiber des Hamburger Labels 105music, bei dem sie seit ihrem zweiten Album „Die Mathematik der Anna Depenbusch“ 2011 unter Vertrag stand, in Rente. Das ehemalige Label von Ina Müller, Stefan Gwildis oder Annett Louisan wurde von Sony aufgekauft, beim Major wurde es dann schwierig mit der künstlerischen Freiheit: Schnell wurde ein Produzententeam zusammengestellt und ein Songschreiber eingesetzt. Depenbusch fühlte sich überrumpelt.

Denn die 39-Jährige war gewohnt, alle Prozesse mitzubestimmen. Sie komponiert, produziert, entwickelt die Ideen für die Musikvideos, das Plattenlayout und die Konzerte. Plötzlich schrieb jemand anders ihre Songs. Die so entstandene Platte wurde nie veröffentlicht, mittlerweile sieht sie diese Episode mit dem ihr typischem Optimismus. „Ich konnte mir ein neues Team suchen. Jetzt fühlt es sich total richtig an, mit allen Umwegen und Sackgassen.“ Depenbusch wechselte zu Columbia und hat die Prozesse jetzt wieder selbst in der Hand.

Vielleicht ist es der Song „Stadt Land Fluss“, mit dem sie sich auf dem neuen Album am meisten identifiziert. Er ist eine Hymne an die Rastlosigkeit: „Fester Boden tut mir nicht gut / ich leb' mein Leben wie ein Zug“. „Ich bin nicht der Typ, der sich settled“, sagt Depenbusch. „Ich suche kein Nest und bin am liebsten unterwegs.“

Erstaunlich ist, welche Eleganz Depenbusch der deutschen Sprache abschwatzt, dass sie dabei nie ins Manierierte abrutscht. Ihr Jazzgesang-Studium brach die 39-Jährige damals ab, weil Songwriting in ihrer Muttersprache dort nicht vorgesehen war. „Ich will verstanden werden, und wenn ich auf Deutsch singe, ist das sehr unmittelbar.“ Auf Englisch fehle ihr das Gespür für Sprache und Wortwitz. „Manche Leute finden, die deutsche Sprache ist sperrig und tut weh. Für mich besteht die Herausforderung genau darin, daran rumzukneten.“

Die Plattenfirmen raten natürlich davon ab, sich auf den kleinen deutschsprachigen Markt zu beschränken, genauso wie Depenbusch aktuelle Trends und Referenzen auf musikalischer und inhaltlicher Ebene charmant ignoriert. „Wenn mir jemand sagt: ‚Das ist aber zeitgemäß‘, habe ich ein Problem. Ich finde gut, wenn in Alben keine Zeit steckt.“ Als Teenager, als ein jazzbegeisterter Lehrer mit der schuleigenen Bigband das Interesse an Musik in ihr weckte, hörte sie die deutsche Jazzsängerin Romy Camerun. Auch für die klassischen Liedermacher wie Kurt Weill oder Edith Piaf begeistert sie sich.

Mit ihren hochgesteckten dunklen Haaren und hellen Augen wirkt Depenbusch wie eine Pariser Chansonnière aus den 1920er Jahren. Und es wundert nicht, dass sie Tochter zweier Französischlehrer ist – auch wenn sie nach eigenen Angaben diejenige in der Familie ist, bei der sich die Frankophilie am wenigsten durchgesetzt hat.

In ihrem Song bleibt Depenbusch dem Chanson grundsätzlich treu, auch wenn sie Jazz-, Folk- oder Country-Elemente mit einfließen lässt. „Ich mag einfach das Theatrale am Chanson. Ich nehme mich auch sehr als Bühnenfigur wahr und mache mich gerne schick für Auftritte.“ Sowohl auf als auch neben der Bühne ist Depenbusch modisch absolut stilsicher, was in einem RTL-Portrait mal für den etwas unappetitlichen Beisatz sorgte: „Anna Depenbusch ist nicht nur ein Hingucker, sondern auch eine begabte Sängerin.“ Für ihre Konzerte überlegt sie sich eigene Dramaturgien, inklusive Kostümwechsel: „Ich achte auf einen ständigen Wechsel zwischen Komödie und Tragödie, bei mir ist es immer ein Wechselbad der Gefühle. Das macht mir Spaß, und ich schätze mein Publikum sehr dafür, dass es das mitmacht.“

Am 30. März tritt sie in Hamburg im fast ausverkauften Thalia-Theater auf, worauf sie sich mit ihrer Liebe zum Theatralen besonders freut: „Ich liebe die Theaterbühne, weil sie so fokussiert, für mich und für das Publikum. Alles passiert im Guckkasten. Das entspricht meiner Musik, weil sie viel Platz lässt für Pausen.“ Überhaupt sind ihr Konzerte das Wichtigste am Musikerdasein, der Austausch mit dem Publikum – auf Perfektionismus pfeift Depenbusch, die sich das Klavierspielen selbst beigebracht hat. „Die Leute lieben es, wenn ich mich verspiele. Ich bin über die Jahre immer mutiger geworden, Sachen auszuprobieren.“ Lebendigkeit funktioniert eben besser als Perfektionismus.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.