„Kein Zufall, sondern Strategie“

Schrifttum Astrid Vehstedt ist als Vorsitzende des Berliner Landesverbands deutscher Schriftsteller zurückgetreten, weil ihr Kollege sich als AfD-Mitglied entpuppt hat

Astrid Vehstedt beim Neujahrsempfang des VS. Foto: Christian von Polentz

INTERVIEW Cornelius Oettle

taz: Frau Vehstedt, Sie sind als Vorsitzende des Berliner Landesverbands des Verbands deutscher Schriftsteller (VS) zurückgetreten, nachdem die AfD-Mitgliedschaft des Vorstandsmitglieds Olaf Kappelt bekannt wurde. Wie kam es dazu?

Astrid Vehstedt: Der Ausgangspunkt war die Gründung des Friedrich-Bödecker-Kreises, ein bundesweit vertretener Kreis, der Kinder- und Jugendbuchautoren unterstützt und den es bisher hier in Berlin nicht gab. Olaf Kappelt, der im VS-Vorstand Schriftführer ist, bot sich als Vorstand an, was ich zunächst auch im Sinne der Anbindung an den Verband deutscher Schriftsteller befürwortete. Dann stellte sich jedoch heraus, dass er AfD-Aktivist ist und es erschienen noch weitere AfD-Sympathisanten in der Gründungsversammlung des Bödecker-Kreises. Darunter war etwa der Leiter der Bibliothek des Konservatismus (Wolfgang Fenske, Anm. d. Red.), die zu einem Netzwerk der Neuen Rechten gehört. Eine Zusammenarbeit kam daher für mich nicht mehr in Frage.

Sie hatten die Hoffnung, dass die Mehrheit ihrer Vorstandskollegen ebenfalls zurücktreten würde, weil der fünfköpfige Vorstand somit aufgelöst wäre. Wer ist Ihnen gefolgt?

Ich hatte es gehofft, weil es eine klare Aussage gewesen wäre. Aber ich bin allein zurückgetreten.

Was ist mit den anderen? Haben die kein Problem mit der AfD? Vorstandsmitglied Michael Wildenhain ist beispielsweise Mitglied der Linken.

Sie sind jedenfalls nicht zurückgetreten und haben sich auf die Seite des AfD-Aktivisten gestellt. Nur mein Stellvertreter (Michael André Werner, Anm. d. Red.) hat sich mit mir solidarisch erklärt.

Hat sich Kappelt zuvor nicht zur AfD bekannt?

Nein, anfangs gar nicht. Er sitzt ja schon seit zweieinhalb Jahren im Vorstand des Landesverbands und bekleidet auch verschiedene Ämter bei „ver.di“. Er hat immer wieder versucht abzuwiegeln und zu verschleiern, bis es es irgendwann nicht mehr ging. Rückblickend sehe ich einiges in einem anderen Licht. Mir scheint, dass das kein Zufall ist, sondern Strategie dahintersteckt.

Unterwandert die AfD also Literatenverbände?

Zumindest hatte sich niemand im Rahmen der Gründung des Friedrich-Bödecker-Kreis‘ als AfD-Sympathisant vorgestellt. Wir haben das nach und nach herausgefunden. Der Leiter der Bibliothek des Konservatismus stellte sich als Theologe vor, eine andere als Literaturpreisträgerin – es handelte sich allerdings um einen Preis, der von der ­Jungen Freiheit verliehen wurde.

Was bedeutet das für den VS Berlin?

Es gibt eine Debatte im Verband, das ist gut. Ich bekomme Rückmeldungen von Schriftstellern, die sich vorher nicht eingebracht haben. Wenn das Ganze einen positiven Effekt hat, dann den, dass sich Menschen aufgerufen fühlen, Position zu beziehen und sich einzumischen.

Einige Schriftsteller haben ihren Austritt angekündigt für den Fall, dass ein AfD-Mann im Vorstand bleibt.

Astrid Vehstedt

ist seit 2014 Vorsitzende des VS Berlin/Brandenburg. Sie wurde in Hamburg geboren, ist Autorin und Musiktheaterregisseuren. Sie lebte und arbeitete lange in Belgien, und schreibt auch auf Französisch und Niderländisch.

Ich halte es nicht für zielführend, aus dem Verband auszutreten und dem AfD-Mann das Feld zu überlassen.

Wird es Neuwahlen geben?

Wären wir im Februar alle zurückgetreten, hätte man satzungsgemäß nach vier oder fünf Wochen eine Neuwahl ansetzen können. Nach meinem Rücktritt kann ich dazu nichts mehr sagen, aber natürlich muss es Neuwahlen geben.

Würden Sie dann nochmal antreten?

Das hängt von den weiteren Entwicklungen ab. Wären wir alle geschlossen zurückgetreten, wäre ich sofort wieder angetreten. Aber jetzt muss ich mal sehen, wie die Lage ist.