Kommentar Urteil „OldSchool Society“: Endlich wird gesehen, was ist

Die Behörden haben den Rechtsterrorismus lange ignoriert. Die Bundesanwaltschaft scheint aber entschlossen zu sein, härter vorzugehen.

Ein Willkommens-Gruß hängt in Augsburg an der Tür zur Wohnung in der ein der Mitgliedschaft in einer rechten Terrorgruppe verdächtiger Mann wohnt, 2015

Die Ermittler wurden freundlich empfangen: Hausdurchsuchung im Mai 2015 gegen die „Oldschool Society“ Foto: dpa

Die mehrjährigen Haftstrafen, zu denen das Oberlandesgericht München die vier Mitglieder der rechtsextremen „Oldschool Society“ verurteilt hat, sind ein hartes Urteil, schließlich haben die vier noch keinen Anschlag verübt. Aber es zeigt: Die Justiz geht nicht nur gegen Islamisten hart vor, von denen eine Terrorgefahr ausgeht, sondern auch gegen Rechtsextremisten. Die Richter haben klargemacht, dass die „Oldschool Society“ eine terroristische Vereinigung ist, die sich mit dem Ziel gegründet hat, Anschläge unter anderem auf Flüchtlingsunterkünfte und Moscheen zu begehen. Ein solches Zeichen war überfällig.

Mit der Einschätzung, dass es in Deutschland Rechtsterrorismus geben könnte, haben sich die Sicherheitsbehörden selbst nach dem Auffliegen des NSU im Jahr 2011, der für eine Mordserie mit zehn Toten verantwortlich ist, schwergetan. Obwohl Experten seit Langem davor warnen, dass sich insbesondere im Ostteil des Landes rechtsterroristische Strukturen herausbilden, ist das Urteil in München das erste dieser Art. Im Fokus des Antiterrorkampfes standen in den vergangenen Jahren vor allem Islamisten. Das zeigt auch die Liste der sogenannten Gefährder, die die Polizei besonders im Auge hat: 602 Islamisten stehen darauf – und 22 Rechtsextreme.

Die rund 2.000 Anschläge auf Flüchtlingsheime in den vergangenen zwei Jahren wurden allzu lange als Taten Einzelner abgetan, rechtsextreme Zusammenhänge nicht ermittelt, die Urteile – wenn es überhaupt zum Prozess kam – fielen nicht selten milde aus. Auch die Verteidiger der OSS-Mitglieder versuchten, die Gefahr, die von ihren Mandanten ausgeht, herunterzuspielen: Sie stellten sie als gescheiterte Persönlichkeiten dar, die auf der Suche nach Anerkennung waren. Gut, dass das Gericht dem klar widersprochen hat.

In der Bundesanwaltschaft, die sogar noch höhere Strafen gefordert hatte, scheint sich endlich ein härteres Vorgehen gegen Rechtsextremisten durchzusetzen. Dies zeigt auch die Anklage gegen die mutmaßlich rechtsterroristische „Gruppe Freital“, die derzeit in Dresden vor Gericht steht. Es ist die erste Anklage, die Anschläge auf Flüchtlingsheime als Rechtsterrorismus bezeichnet. Damit es dazu kam, musste allerdings die Bundesanwaltschaft den Fall an sich ziehen. Die Justiz in Sachsen wollte keinen Terror sehen. Das Umdenken fängt erst an.

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Rechtsextreme Terroranschläge haben Tradition in Deutschland.

■ Beim Oktoberfest-Attentat im Jahr 1980 starben 13 Menschen in München.

■ Der Nationalsozialistische Untergrund (NSU) um Beate Zschäpe verübte bis 2011 zehn Morde und drei Anschläge.

■ Als Rechtsterroristen verurteilt wurde zuletzt die sächsische „Gruppe Freital“, ebenso die „Oldschool Society“ und die Gruppe „Revolution Chemnitz“.

■ Gegen den Bundeswehrsoldaten Franco A. wird wegen Rechtsterrorverdachts ermittelt.

■ Ein Attentäter erschoss in München im Jahr 2016 auch aus rassistischen Gründen neun Menschen.

■ Der CDU-Politiker Walter Lübcke wurde 2019 getötet. Der Rechtsextremist Stephan Ernst gilt als dringend tatverdächtig.

■ In die Synagoge in Halle versuchte Stephan B. am 9. Oktober 2019 zu stürmen und ermordete zwei Menschen.

■ In Hanau erschoss ein Mann am 19. Februar 2020 in Shisha-Bars neun Menschen und dann seine Mutter und sich selbst. Er hinterließ rassistische Pamphlete.

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