Gewerkschaft kritisiert Charité: Entweder Goldesel oder sozial

Das war die Woche in Berlin IV: Die landeseigene Klinik hält sich nicht an den Tarifvertrag, klagt Verdi. Ob der Senat sich traut, klare Kante zu zeigen?

Sparen auf Kosten der Mitarbeiter: Zu CFM ausgelagerte Charité-KollegInnen im Streik (Nov. 2016) Foto: dpa

Man kann dieser Tage wieder schön beobachten, wohin es führt, wenn Wirtschaftsbereiche, die der allgemeinen Daseinsvorsorge dienen, so durchkapitalisiert sind, dass nur noch Geld und Gewinn zählt. Beispiel Charité: Das Großunternehmen in Landesbesitz, das Jahreseinnahmen von 1,5 Milliarden Euro verzeichnet, hatte im vorigen Jahr einen Tarifvertrag abgeschlossen, der allseits bejubelt wurde. Weil darin erstmals Maßnahmen beschlossen wurden, um den – wie in allen deutschen Krankenhäusern – völlig überarbeiteten KrankenpflegerInnen Entlastung zu bringen. Am Mittwoch aber hat die Gewerkschaft Verdi klargestellt: Die Maßnahmen wurden schlicht nicht angewandt, die MitarbeiterInnen sind genauso überlastet wie ehedem.

Nun kann man sich hinstellen und die Geschäftsführung dissen, weil sie eher an ihre Bilanz denkt als an ihre Mitarbeiter. Allein: Genau das war und ist die politische Vorgabe. Seit den neoliberalen Goldgräbertagen der Nachwendezeit ist alles und jeder dazu verdonnert, Gewinne abwerfen – oder wenigstens seine Kosten selbst zu erwirtschaften: seien es kommunale Wohnungsbauunternehmen, Verkehrsbetriebe, Wasserwerke oder eben Krankenhäuser.

Bei der Charité hat das bekanntlich sogar dazu geführt, dass wichtige Arbeitsbereiche – vom Essen, übers Röntgen bis zu den Krankentransporten – in das „Tochterunternehmen“ CFM ausgegliedert wurden – das sogar teilweise privatisiert wurde. Die Folge: Seit 12 Jahren sind die CFM-MitarbeiterInnen gehaltstechnisch Charité-MitarbeiterInnen zweiter Klasse – übrigens dank eines „linken“ Senats.

Nun tickt der Zeitgeist wieder anders: Was SPD und Linkspartei damals „alternativlos“ schien, gilt heute so manchem als Fehler. Die neue „Links“-Regierung von Rot-Rot-Grün will die privatisierten CFM-Anteile zurückkaufen und die Bezahlung der MitarbeiterInnen an die der Charité-Leute angleichen. Im Sommer soll der Deal stehen, wie ebenfalls diese Woche bekannt wurde.

Entweder – oder!?

Das wird kosten. Wie viel, weiß bislang keiner, aber eines ist klar: Zwei sich widersprechende Prinzipien kann man nicht gleichzeitig verfolgen. Entweder die Charité folgt dem Primat von „Wirtschaftlichkeit“ oder dem von „guter Arbeit“ (sprich: Mitarbeiter- und Patientenzufriedenheit). Wenn nun Letzteres wieder en vogue ist, ist das schön. Aber dann sollte die Politik so konsequent sein und die Geschäftsführung vom Zwang zum Gewinnemachen befreien.

Das gilt übrigens nicht nur für die Charité: Auch Wohnungsbauunternehmen können „soziale Mieten“ nur verlangen, wenn sie nicht als Goldesel herhalten müssen. Aber ob sich der neue Senat traut, das laut zu sagen?

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