SPD-Politiker über Rot-Rot im Saarland: „Jeder kann dazu lernen“

Thomas Oppermann hält die Linke für zu pazifistisch und fordert Verlässlichkeit. Er kritisiert, dass sie zum Koalitionsbruch aufrufe.

Martin Schulz, Thomas Oppermann, Sigmar Gabriel und Anke Rehlinger stehen beieinander

Die SPD auf Erfolgskurs – es bleibt spannend, wo er hinführt Foto: dpa

taz: Herr Oppermann, im Saarland ist vielleicht Rot-Rot möglich. Das wäre die symbolische Rückkehr des verlorenen Vorsitzenden Oskar Lafontaine in eine SPD-geführte Regierung …

Thomas Oppermann: Was möglich ist, entscheiden die Wählerinnen und Wähler. Die SPD im Saarland – so wie in Nordrhein-Westfalen, in Schleswig-Holstein und im Bund – geht ohne Koalitionsaussage in die Wahl. Für anschließende Gespräche müsste Lafontaine seine Daueropposition aufgeben. Jeder kann dazu lernen, auch er.

Hat sich das Verhältnis zwischen SPD und Linkspartei in den letzten Jahren verändert?

Die Atmosphäre ist besser geworden. Viele in der Linkspartei sind nach all den Jahren in der Opposition ehrlich daran interessiert, zu regieren. Allerdings hat sich programmatisch nur wenig verändert. UN-Missionen werden immer noch radikal-pazifistisch als Kriegseinsätze diffamiert. Das ist kein gutes Zeichen.

In der SPD-Zeitschrift Neue Gesellschaft haben Sie per Texten eine Debatte mit Sahra Wagenknecht über Rot-Rot-Grün geführt …

Das wäre vor zehn Jahren vermutlich nicht möglich gewesen. Es ist besser miteinander als übereinander zu reden.

Ist Rot-Rot-Grün im Bund eine reale Möglichkeit oder nur Theorie?

Wenn es das Wahlergebnis erlaubt, werden wir mit allen reden, außer der AfD. Es gibt für die SPD drei Voraussetzungen für eine Regierungsbildung. Eine stabile Mehrheit im Bundestag. Inhaltlich: eine ohne Wenn und Aber proeuropäische Politik und keine Infragestellung der Nato. Und drittens eine vertrauensvolle Zusammenarbeit.

Vertrauen Sie Wagenknecht?

Sie meint, was sie sagt, aber was sie sagt, ist ein Problem. So fordert sie von der SPD-Fraktion, mit Linksfraktion und Grünen Gesetze zu verabschieden. Das ist ein Aufruf zum Koalitionsbruch. Das werden wir nicht tun. Verlässlichkeit ist eine notwendige Voraussetzung für jede Koalition. Das muss auch Frau Wagenknecht wissen, wenn sie in eine Koalition gehen will.

Aber die SPD-Fraktion hat ja selbst Gesetzentwürfe für die Begrenzung von Managergehälter und die Ehe für alle vorgestellt. Und die Union macht da nicht mit ...

Beide Themen stehen im Koalitionsvertrag. Genau darüber werden wir mit der Union im Koalitionsausschuss am Mittwoch reden.

62, ist Jurist, seit 1980 Mitglied der SPD und heute Chef der SPD-Bundestagsfraktion.

Glauben Sie wirklich, dass die Union der SPD bei den Managergehältern folgt?

Immerhin haben Frau Merkel und Herr Kauder sich unionsintern dafür ausgesprochen. Ich bin gespannt, ob die Union den beiden folgt. In der Union liegen seit der Nominierung von Martin Schulz die Nerven blank. Aber deshalb verzichten wir nicht auf wichtige Projekte der SPD.

Streit gibt es auch beim Gesetz für gleichen Lohn für Männer und Frauen. Die SPD will, dass Betriebe ab 200 Mitarbeitern Auskunft geben müssen über ungleiche Bezahlung, die Union will dies erst für Betriebe ab 500 Beschäftigte. CDU-Mann von Stetten will dafür „bis zum letzten Blutstropfen kämpfen“.

Endlich ist der Wolf wieder heimisch in Deutschland! Das freut nicht jeden. Für die taz.am wochenende vom 25./26. März hat unser Autor mit Biobauern gesprochen, die Abschüsse fordern, und sich ins Revier des Raubtiers gewagt. Außerdem: Hass – warum werden die Rohingya in Birma so erbittert verfolgt? Und: Ein Gespräch mit der Autorin Olga Grjasnowa über Heimat, Religion und Privilegien. Am Kiosk, eKiosk oder gleich im praktischen Wochenendabo.

Herr von Stetten sollte sein kostbares Blut nicht so leichtfertig aufs Spiel setzen. Es wird bei 200 Mitarbeitern bleiben.

Der aktuelle Armuts- und Reichtumsbericht der Bundes­regierung zeigt: Sozialer Aufstieg durch Bildung ist viel schwieriger als früher. Gerade für die SPD unschön, oder?

Das ist ein dramatischer Befund. Die Chance, von unten nach oben zu kommen, ist ein Kernanliegen der SPD. Damit es gerecht zugeht, müssen wir früh anfangen: mit mehr Kinderbetreuung, mehr Flexibilität für die Eltern bei der Arbeitszeit und vor allem mehr qualitativ hochwertigen Ganztagsschulen.

Der Bericht zeigt auch, dass das Vermögen extrem ungleich verteilt ist. Die untere Hälfte besitzt nur ein Prozent.

Zu viel Ungleichheit schadet nicht nur dem Zusammenhalt der Gesellschaft, sondern wirkt auch ökonomisch negativ. Deshalb wollen wir Kapitalerträge gleich hoch besteuern wie Arbeit. Und die riesigen Reichtümer entstehen nicht durch Erwerbsarbeit, sondern durch Vererbung. Deshalb brauchen wir eine einfache Erbschaftsteuer mit hohen Freibeträgen und einer fairen Beteiligung der ganz großen Vermögen an der Finanzierung unseres Gemeinwesens.

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