Hilfe für Obdachlose in Berlin: „Das Mindeste ist, Respekt zu zeigen“

Geld? Sachspenden? Wie man Obdachlosen am besten hilft, wenn die Zeit fehlt, um regelmäßig ehrenamtlich zu arbeiten. Vier Protokolle

Zelte vor dem Reichstag

Auch eine Art Mahnmal: Zelte von Obdachlosen vor dem Zentrum der politischen Macht Foto: dpa

Sebastian A.

„In drei Stunden habe ich alles verloren: Frau, Job, Wohnung. Seitdem wohne ich auf der Straße, seit etwa ein Jahr. Leute behandeln mich gut. Glaube, die denken nicht immer, dass ich ein Obdachloser bin. Ich versuche mich zu waschen. Rasieren habe ich heute vergessen.

Ich lebe mit einer Gruppe zusammen. Wir sind sieben Leute. Wir haben einen festen Platz, haben da auch was zum Kochen und schlafen zusammen – wie eine WG. In der Bahnhofsmission kriege ich Essen und Trinken.

Wenn mir Leute helfen wollen, sollen sie mir Kaffee holen. Löslichen Kaffee und Milch, die nicht gekühlt werden braucht, Trockenmilch. Wir haben heißes Wasser und dann immer Kaffee. Wäre schön wieder eine Wohnung zu haben, aber am besten mit den sechs anderen.“

Sebastian A.​ Foto: Laila Oudray

Rebecca Aust, Sozialarbeiterin bei „frauenbedacht“, einer Einrichtung der Wohnungsnotfallhilfe für Frauen

„Das Mindeste, was man tun kann, um einem Menschen auf der Straße zu helfen, ist Respekt zu zeigen – nicht die Nase zuhalten oder auf die Sachen treten. Wenn jemand seltsam aussieht, mit sich selber redet oder auch komisch riecht, ist das nichts, was er absichtlich tut, um die Gesellschaft zu ärgern.

Wenn man etwas spenden möchte, sollte man die Person fragen, was sie braucht und möchte. Aber wichtig ist dabei, dass man nicht sagt: „Ich gebe dir Geld, aber nicht für Alkohol ausgeben.“ Der Obdachlose muss sein Leben bewältigen. Das schaffen viele nur mit Rauschgift, weil das Leben auf der Straße sehr hart ist.

Wenn ich einem Menschen helfe, muss ich ihm die Wahlmöglichkeit lassen, wie er sich helfen lassen will. Auch wenn ich es nicht gut finde, was er damit macht. Hier braucht man keinen moralischen Zeigefinger.“

Karsten Krull, Sozialarbeiter in der Obdachlosentagesstätte „Warmer Otto“ in Moabit

„Die beste Option ist es, einen Obdachlosen zu einer Beratungsstelle zu begleiten. Im Internet lässt sich schnell herausfinden, wo das nächste Angebot für Obdachlose ist. Da kann man kurz anrufen und nachfragen, ob man die Person vorbeibringen kann. Die können auch weitere Tipps geben.

Wir hatten letztens zwei Frauen hier, die einen polnischen Mann aufgefunden haben, der komplett durchgefroren war. Die sind hergekommen, und wir haben uns um ihn gekümmert. Das ist die beste Option – aber nicht die einfachste. Es ist nicht wie im Märchen, wo der Obdachlose sofort die Hilfe annimmt. Viele wollen nicht mitkommen. Das muss man akzeptieren.

Ein Laie stellt sich oft vor, dass man einfach nur die Bedingungen schaffen muss. Aber es braucht viel Vertrauensarbeit, um helfen zu können. Wenn jemand nicht sofort mitkommen will, kann man ihm zumindest sagen, wo er Hilfe bekommen kann. Wenn er dann will, weiß er, wohin.“

Christine Blume (genannt Blümchen) Foto: Laila Oudray

Christine Blume (genannt Blümchen), 62

„Ich wohn immer wieder auf der Straße, bin obdachlos. War ’ne Zeitlang im Frauenhaus, einmal hat mich ein Pfarrer bei sich wohnen lassen. Da hatte ich ein kleines Zimmer für mich. Er ist dann wieder zurück nach Holland.

Jetzt bin ich wieder auf der Straße, meistens im Tiergarten. Ein großes Problem ist: Ich hab kein Fitzelchen Geld. Das brauch ich aber: für Essen, saubere Sachen und, ich gebe zu, auch ein Bier. Aber nur eins, am Abend. Das ist meine Einschlafhilfe.

Ich sammle Flaschen, gehe auf der Straße suchen und manchmal im Müll. Ich freue mich, wenn mir Leute ihre Pfandflaschen geben oder auch Geld. Letztens hat mir eine Mitarbeiterin der Bahnhofsmission eine Tüte Weingummis geschenkt. Das hat mich sehr gefreut. Ich esse gerne Süßes, das ist mein einziges Laster.“

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