Youtube-Gespräch über Antisemitismus: Der einzig logische Rassismus

Autorin Kat Kaufmann, Satiriker Shahak Shapira und Rapper Felix „Kollegah“ Blume haben über Antisemitismus gesprochen. Es war entsetzlich.

Rapper Kollegah trägt eine Sonnenbrille und eine Kette um den Hals

Kann dieser Mann Antisemit sein? Kann er überhaupt etwas? Foto: Wikimedia (CC-BY-SA-3.0)

Jan Böhmermann meinte es vermutlich gut, als er dem des Antisemitismus bezichtigten Rapper Felix „Kollegah“ Blume ein Treffen mit der russisch-jüdischen Autorin Kat Kaufmann und dem in Israel geborenen Satiriker Shahak Shapira vorschlug. Das 45-minütige Gespräch ist seit Dienstag auf Youtube zu sehen, obwohl Folter in Deutschland untersagt ist.

Wer bislang allen Ernstes behauptet hat, Blume sei eigentlich ein intelligenter Jurastudent, der den primitiven Proll Kollegah lediglich mimt, dem sind nun endgültig die Argumente ausgegangen. Erst vor wenigen Tagen hatte der regelmäßige Fitnessstudiogänger Kollegah, der 2002 den Malwettbewerb „Komm mit in eine andere Welt: Märchen– Mythen – Sagen“ gewann, einen Fan per Faustschlag von der Bühne befördert, den er selbst zuvor erst auf selbige gebeten hatte.

Grund: Der Unhold hatte seine Sonnenbrille berührt. (Sollte der Knockout übrigens keinem Ausraster geschuldet, sondern aufwendig inszeniert gewesen sein, machte das die Sache ja wohl nicht besser, bedeutete es doch, man hätte gedacht, das eigene Publikum mit ungerechtfertigten Faustschlägen begeistern zu können.)

Kollegah, der bereits acht Sekunden nach Gesprächsbeginn den Namen seines Gesprächspartners vergessen hat („der gute Shahak Shapiri“), begegnet den Antisemitismus-Vorwürfen mit solchen Sätzen: „Die einzigen, die sich immer in diese Opferrolle setzen, seid ihr Juden.“ Und: „Ich hab immer das Gefühl, man kriegt gar nicht so viel mit von der jüdischen Bevölkerung – sie integrieren sich nicht, sie zeigen sich auch gar nicht, sie zeigen nicht so die Präsenz.“ Kat Kaufmann, die durchweg daran scheitert, irgendetwas Komisches beizutragen, ergänzt: „Sie [die Juden] sind deine Anwälte, hahaha!“

Zum Lachen bringt sie einen dann aber doch mit aphasischem Gestammel à la: „Die russisch-jüdische Bevölkerung – ich hab hier Kaviar, Jesus Christus und einen Davidstern – they don’t give a fuck.“ Keine Sorge, liebe Lesenden, die Diskussionsteilnehmer um Kaufmann verstanden's auch nicht respektive ignorierten es.

Ein erstaunter Primatenforscher

Apropos „verstehen“: Von Shapira auf sein frauen- und homosexuelleverachtendes, zudem gewaltverherrlichendes Gesamtwerk angesprochen, erwidert Kollegah, dass derlei Kritiker seine Kunstform nicht verstünden. Begriffe wie „Bitches“ und „Schwuchtel“ fielen „in einem Battle-Rap-Kontext in einem anderen Sinnzusammenhang als im Alltagssprachgebrauch“ – nein, Blümchen, sie werden von dir und anderen genau so verwendet, wie sie auch ganz alltägliche Sexisten und Schwulenhasser verwenden. Und etliche Fans delektieren sich daran.

Shapira, der in dieser Runde an einen erstaunten Primatenforscher erinnert, schafft es aber auch nicht, deutlich auszusprechen, dass es an diesem diskriminierenden Dreck nicht viel zu verstehen gibt. Immerhin führt sein Kommentar „Kunstform – tut mir weh diese Bezeichnung“ zu einem famosen Dialog mit Kollegah, der dessen Verständnis von Kunst und Kritik offenbart: „Ich finde, es ist mehr Kunst, Musik zu machen, die viele Menschen froh macht […], als ein Buch zu schreiben darüber, wie man von Nazis verprügelt wurde.“ – „Ich wurde nie von Nazis verprügelt.“ – „Ich hab das Buch nicht gelesen.“

Der allerlustigste, weil mit gigantischem Vorsprung dümmste Kommentar kommt indes von einem Kumpel Kollegahs, den man vielleicht in die Runde integriert hat, um die restlichen Wortmeldungen etwas intellektueller wirken zu lassen: „Ich bezeichne mich immer als IQ-Rassist. Das ist für mich der einzig logische Rassismus, den es gibt.“ Immerhin: Sofern er den eigenen Intelligenzquotienten als Maßstab nimmt, werden wohl nicht allzu viele Lebewesen von ihm gehasst.

Zum Abschluss sei aber der Boss (so nennt sich Blume bekanntlich selbst) zitiert, der mittenmang zu einer versöhnlichen Rede wider jeglichen Rassismus ansetzt, die selbst Rap-Gott Joachim Gauck nicht besser hätte formulieren können: „Im Endeffekt stammen wir alle von einem Menschen ab. Zumindest, wenn man gläubig ist. Auch wissenschaftlich gesehen kommen wir alle ursprünglich aus Äthiopien.“ Hätten Sie's gewusst? 2024 wird der Mann übrigens 40 Jahre alt – dann kann er sich fürs Amt des Bundespräsidenten bewerben. Bitte!

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