Streit um Trumps Gesundheitsreform: Willkommen in der Realität!

Die Republikaner konnten sich nicht auf Trumps „Obamacare“-Reform einigen. Auch für seine Wähler ist das ein erster Realitätsschock.

Ein Verband auf dem "Ich liebe Obamacare" auf Englisch steht

Gute Besserung! Foto: dpa

NEW YORK taz | Eigentlich sollten die Republikaner am Donnerstagabend über Trumps Gesundheitsreform abstimmen. Stattdessen wurde bis tief in die Nacht gestritten – und dann vertagt. Grund dafür ist ein fundamentaler Dissens zwischen dem Präsidenten und dem radikal rechten Flügel seiner Partei. „Trumpcare“ sieht tiefe Einschnitte in der Gesundheitsversorgung vor und wird 24 Millionen Menschen zurück in ihre alte unversicherte Existenz drängen, aus der sie die von Trumps Vorgänger eingeführte Versicherung „Obamacare“ befreit hatte. Den radikal Rechten unter den Republikanern geht das aber nicht weit genug. Sie wollen die Rolle des Staates in der Gesundheitsversorgung noch stärker zurückdrängen – und Obamacare völlig abschaffen.

Die Gesundheitsreform von Präsident Barack Obama war bei Weitem nicht perfekt. Sie hat die Kostenexplosion nicht gestoppt, sie hat keine staatliche Krankenkasse geschaffen, sondern privaten Krankenversicherern weitere Milliardengeschäfte zugespielt. Und selbst nach ihrer Einführung sind im reichsten Land des Planeten immer noch Millionen Menschen unversichert. Dennoch war „Obamacare“ ein gewaltiger zivilisatorischer Fortschritt.

Nachdem Generationen von US-Präsidenten an ihren Gesundheitsreformversuchen gescheitert waren, rückte das Land ein wenig näher an den Rest der industrialisierten Welt. „Obamacare“ beendete zumindest Teile der Ungerechtigkeit, die Arme und NiedrigverdienerInnen traf, die an heilbaren Krankheiten litten und starben. Dank der Reform bekamen mehr als 20 Millionen von ihnen einen Zugang zu medizinischer Versorgung, der ihnen jahrzehntelang vorenthalten worden war.

Den RepublikanerInnen vom radikal rechten Flügel, die seit sieben Jahren Sturm gegen die Gesundheitsreform laufen, geht es um die Abschaffung von „Obamacare“. Sie wollen keine Steuergelder für die Gesundheitsversorgung der Schwächeren ausgeben, sie sind gegen eine Versicherung für (fast) alle und sie tolerieren nicht einmal Ansätze von Solidarprinzipien im Versicherungswesen, nach denen die Beiträge der Jüngeren und Gesünderen bei der Behandlung der Alten und Kranken eingesetzt werden. Seit den Wahlen vom November haben ihre radikal rechten Ideen sozialer Härte, die Mehrheiten in den Gremien der USA erobert.

Das Versprechen hat Trump zu Stimmen verholfen

Die wollen sie nutzen, um das Rad der Geschichte zurückzudrehen. Ihr Problem ist jetzt der Präsident. Denn der hat im Wahlkampf zwar auf der lang eingeführten Anti-„Obamacare“-Rethorik aufgebaut. Doch statt der Abschaffung, hat er versprochen, er werde „Obamacare“ ersetzen und „besser“ und „billiger“ machen.

Dieses Versprechen hat Trump zu Stimmen verholfen, aber es steht im Widerspruch zur Absicht der radikal rechten RepublikanerInnen und es hätte in Trumps' Sparhaushalt für soziale Ausgaben keine Chance. Statt Sachkenntnis zeigte das Versprechen einmal mehr, wie unvorbereitet Trump in sein Amt kam. Einmal im Weißen Haus sagte er, „niemand“ habe geahnt, wie „kompliziert“ die Gesundheitspolitik sei.

Sollte Trumpcare aufgrund der internen Divergenzen nicht zustande kommen, will der Präsident ganz einfach das alte System beibehalten und dergestalt aushungern, dass es in sich zusammen sackt. In beiden Fällen werden unter den Leidtragenden auch Trump-WählerInnen sein. Manche werden ihre Krankenversicherung verlieren und werden am eigenen Leib spüren, dass sie sich nicht auf ihren Präsidenten verlassen können. Es mag ihre erste ernüchternde Konfrontationen mit der Realität sein, aber weitere sind vorprogrammiert.

Denn genausowenig wie Trump die Gesundheitsversorgung mit einem Schrumpf-Budget verbessern kann, wird er seine anderen hohlen Versprechen einhalten: den Kohlebergwerken neues Leben einzuhauchen, oder die Arbeitsplätze aus China und Mexiko zurückzuholen.

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