Sparen bei den Todkranken

PFLEGE Bremer Palliativ-Seelsorgerin fordert mehr Hilfen für Sterbende. Trotz Rechtsanspruch gibt es oft Wartelisten für die spezialisierte Versorgung

Palliativmedizin ist laut Weltgesundheitsorganisation die „ganzheitliche Behandlung von Patienten, die an einer fortschreitenden Erkrankung mit einer begrenzten Lebenserwartung leiden“.

■ Ziel ist es, die Lebensqualität unheilbar Kranker zu bewahren und ihnen ein Sterben in Würde zu ermöglichen. Aktive Sterbehilfe lehnen die Vertreter der Palliativmedizin strikt ab.

■ Noch 1990 gab es bundesweit nur drei Palliativstationen und drei stationäre Hospize. Heute gibt es über 400 Palliativstationen und stationäre Hospize.  (epd)

Der Bedarf an ambulanten Hilfen für sterbende Menschen kann nach Angaben der Bremer Palliativ-Seelsorgerin Silvia Teuwsen noch immer nicht gedeckt werden. Obwohl Betroffene seit 2007 einen rechtlichen Anspruch hätten, gebe es vielerorts wie in Bremen eine Warteliste für die spezialisierte ambulante Palliativversorgung (SAPV), sagte Teuwsen. „Über die Wartezeit sterben viele, denn in Bremen gibt es nur ein SAPV-Team, das gleichzeitig 18 Patienten versorgen kann.“

Dem stehe der Wunsch vieler Patienten gegenüber, zu Hause in der gewohnten Umgebung sterben zu können, betonte die evangelische Seelsorgerin. Doch angesichts der bundesweit fehlenden SAPV-Teams könne jeder von Glück reden, der ambulant durch einen Expertendienst versorgt werde. Dazu gehörten in der Regel Mediziner, Pflegende und Seelsorger.

Laut Spitzenverband der Gesetzlichen Krankenkassen gibt es derzeit bundesweit 150 SAPV-Verträge. Verbandsvorstand Gernot Kiefer sagte kürzlich in der ARD, der Bedarf liege bei einem Dienst auf 250.000 Einwohner. Das entspricht mehr als 300 Diensten. Für sterbende Menschen sei Unterstützung gegen Schmerzen und Atemnot zentral, aber auch psychosoziale Hilfen und Seelsorge seien den Betroffenen wichtig, so Teuwsen. „Aber die Seelsorge wird von den Kostenträgern nicht bezahlt. Es wäre wünschenswert, wenn sich das ändert“, fügte die Palliativ-Expertin hinzu.

In Bremen finanzieren die beiden großen Kirchen palliative Seelsorge aus ihren Steuereinnahmen. Die Mitglieder des SAPV-Teams organisierten die Versorgung der Patienten ganz individuell, „mit viel Zeit“, bekräftigte die SAPV-Beauftragte der Bremischen Evangelischen Kirche. Dazu gehörten Gespräche auch über gescheiterte Beziehungen und Möglichkeiten der Versöhnung am Sterbebett. Teuwsen: „Zuhören ist in dieser Situation am wichtigsten.“ Oft bekämen Mitglieder des SAPV-Teams die Rückmeldung von Patienten und Angehörigen, sie hätten selten erlebt, dass jemand so viel Zeit für sie gehabt habe. „Im Umkehrschluss heißt das: Oft wird am Ende des Lebens zu wenig zugehört.“

Die ambulante Palliativversorgung muss vom betreuenden Hausarzt des Patienten verordnet werden. Zulässig sind auch Verordnungen von Krankenhausärzten, allerdings für längstens sieben Tage. Das Ziel von SAPV ist es, den Patienten ein menschenwürdiges Leben bis zum Tod in vertrauter Umgebung zu ermöglichen.  (epd)