Die Woche: Wie geht es uns, Herr Küppersbusch?

Kontrollierter Putsch in der Türkei, rasante Wende in der US-Syrienpolitik und ein Gesetz gegen Hasskommentare, das wie tapsige Welpen aussieht.

Süße Welpen

Hate, hate, hate und … oh ein paar Welpen Foto: dpa

taz: Herr Küppersbusch, was war schlecht in der vergangenen Woche?

Friedrich Küppersbusch: Der „Spiegel“ hat recherchiert, dass Adenauer gar nicht so ohne war.

Und was wird besser in dieser?

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Ist die Welt seit dem US-Angriff auf die syrische Luftwaffenbasis Schayrat vom Freitag sicherer geworden?

Am 17. März töteten Luftangriffe der US-geführten Koalition in Mossul nach einem Bericht von „amnesty international“ 150 Zivilisten. US-General Townsend fand dafür die sportlich inspirierte Wendung, es habe sich bei „diesen unschuldigen Opfern“ um einen „unbeabsichtigten Kriegsunfall“ gehandelt. Dies sei hier angeführt, um den Vergleich zur publizistischen Welle um Trumps „beautyful babies“ dem Publikum zu überlassen.

Die Kriegsverbrechen selbst sind damit bitte nicht verglichen. Am 31. März verblüffte Trumps UN-Botschafterin Haley, Assads Sturz habe für die US-Politik „keine Priorität mehr“. Am 4. April erfolgte die Giftgaskatastrophe in Chan Schaichun. Noch am gleichen Tag – vor jeder Untersuchung oder sicherer Schuldklärung – erklärte Haley, Assad dürfe nicht mehr Präsident sein. Damit ist Trumps Politik um 180 Grad gedreht, und er kassiert den Jubel des verhassten Establishments für seine Machtgeste. Möge es ihm schaden.

Der türkische Oppositionsführer Kemal Kılıçdaroğlu (CHP) hat der Regierung vorgeworfen, vorab Kenntnis von dem gescheiterten Staatsstreich am 15. Juli 2016 gehabt zu haben. Es habe sich um einen „kontrollierten Putsch“ gehandelt. Mutig oder todesmutig?

Gut, dass der Mann mal auf sich aufmerksam macht! „Gandhi Kemal“ kosebenamt, seines Äußeren wie seiner friedfertigen Art wegen. Nach den Putschereignissen trat er mit Erdoğans AKP gemeinsam auf. Er kritisiert die Gülen-Bewegung und nennt die kurdische PKK „Terroristen“. Damit ist der Chefkemalist einerseits ein wertvoller Kronzeuge für Erdoğan – von dem er sich andererseits nach Leibeskräften abgrenzt: 2013 sagten die Genossen der sozialdemokratischen Fraktion im Europaparlament ein Treffen mit Kılıçdaroğlu ab, weil er Erdoğans Demokratieverständnis „nur in Schattierungen anders als das des Syrischen Diktators Assad“ genannt hatte.

Während die Sozis also Erdoğan verteidigten, blieb er bei der Anrede „Diktator“. Nachdem der Putsch nicht so unabhängig untersucht wurde, wie Kılıçdaroğlu gefordert hatte, kündigt er nun ein eigenes „Dossier“ an. Ein Indiz daraus benennt er: Die Regierung halte eine Liste von über hundert AKP-Politikern geheim, die das gleiche Nachrichtenprogramm „ByLock“ benutzten wie die „Putschisten“. Kılıçdaroğlu reizt die Rolle als Erdoğans Geisel bis zum Anschlag aus; er wäre ein guter Gast für Grüne oder SPD-Parteitage.

Hasskommentare und Fake News müssen künftig in den sozialen Netzwerken innerhalb von 24 Stunden gelöscht werden, sonst drohen Strafen bis zu 50 Millionen. Ist das Gesetz ein großer Wurf?

Wenn Hunde Nachwuchs bekommen, ist das auch oft ein großer Wurf. Hier sind ein paar tappsige Welpen dabei, die die Augen noch nicht offen haben: Sind vom Gesetzesquorum „ab 2 Mio User“ auch Messenger-Dienste betroffen? Gamer-Foren? Special-interest-online-Sekten? Dann das Thema „Fristen“: Kann man binnen 24 Stunden runter auf Granit recherchieren, ob es zulässige Meinung oder gehässige Lüge ist – oder wird künftig mit dem Rasenschmäher zensiert?

Schließlich: Soll z.B. Facebook Klarnamen von vermeintlichen Hasskappen an Privatpersonen ausreichen, oder wird ein Richter dazwischen walten? Diese drei Kritikpunkte finden sich von „netzpolitik.org“ bis zu Unternehmerverbänden am häufigsten. Maas ist zu loben, dass er mit dem hastigen Gesetzentwurf zumindest einräumt: der Kuschelkurs hat nicht genug gebracht.

Die Pendlerzahlen sind so hoch wie nie, angeblich weil immer mehr Menschen vor den hohen Mieten ins Umland flüchten. Höchste Zeit für Fahrradschnellwege?

Die 25 Millionen vom Verkehrsministerium langten nach holländischem Standard für seriös ausgestattete 25 Kilometer „fietssnellweg“. „Rund ums Dobrindt“ oder so. In deutschen Ballungsräumen bieten sich exzellent trassierte alte Güterbahnstrecken an, im Ruhrgebiet macht da das Rollen schon Sinn und Spaß. Die alte Trickbetrügerei hieß „Warum soll man einen maroden Straßenrand teuer sanieren, wenn man zum Preis eines Eimers Farbe >Radweg< drüberpinseln kann?“ Das Bundesprogramm ist ein Zug aus der Luftpumpe, doch die Richtung ist prima.

FDP-Chef Lindner sagt, seine Partei stünde der Union näher als anderen Parteien. Gibt es noch mehr Neuigkeiten von den Liberalen?

Total interessant, mit welchem Hund der Schwanz wackeln möchte.

Gespräche über Koalitions-Farbspiele sind omnipräsent. Interessiert Sie das?

R2G, Jamaika, Ampel, rotgelb, schwarzgelb: Na klar! Immerhin dankte sich die Wahlium-Kampagne 2013 neben dem ungeeigneten Kandidaten Steinbrück der vollständigen Abwesenheit eines Machtvorschlages. Diese Koalitionsmosaike können mobilisieren. Für die Union, siehe Saar, als Schreckgespenst; für die SPD als Flirt mit der Realität. Nur die Option „noch ne GroKo“ nutzt vor allem und fast nur der AfD.

Und was machen die Borussen?

Wiegen die Bayern vor dem Pokalspiel in Sicherheit. Genial.

FRAGEN: MBRS, AW

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Jahrgang: gut. Deutscher Journalist, Autor und Fernsehproduzent. Seit 2003 schreibt Friedrich Küppersbusch die wöchentliche Interview-Kolumne der taz „Wie geht es uns, Herr Küppersbusch?".

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