CDU-Parteitag in Mecklenburg-Vorpommern: Gääääähn

Die CDU bedauert ihre Wahlschlappe im September und gibt Merkel die Schuld. Als sie ans Mikro tritt, beginnen die Kollegen gelangweilt ein Schwätzchen.

Merkel sitzt zwischen Lorenz Caffier und Vincent Kokert

Es funkt nicht: Merkel zwischen Lorenz Caffier (l. ) und Vincent Kokert Foto: dpa

GRIMMEN taz | Ein Landesvorsitzender, sagt Lorenz Caffier, müsse mit der Fahne vorangehen. Aber er müsse auch „immer mal nachsehen, ob deine Truppen dir noch folgen“. Caffiers CDU Mecklenburg-Vorpommern mag ihrem Vorsitzenden offensichtlich nicht länger folgen. Nur so ist erklärlich, warum sein Nachfolger im Amt, der 39-jährige Vincent Kokert, am Samstag mit sensationellen 92,5 Prozent gewählt worden ist.

Beim Landesparteitag in Grimmen bei Rostock ging es also vordergründig um die Wahl eines neuen Anführers. Aber auch um die Frage, wer die Verantwortung übernimmt für die Schlappe bei der Landtagswahl vor gut einem halben Jahr. Die mit der SPD regierende CDU war im September auf ein historisches Tief von 19 Prozent gefallen, 2 Prozentpunkte hinter der erstmals antretenden AfD. Dass die Caffier-Partei dennoch weitere fünf Jahre mitregieren darf, verdankt sie einzig der SPD, die sich Rot-Rot-Grün nicht getraut hat.

Die Frau, der viele die Schuld für das Wahlergebnis zuschieben, sitzt nun in Grimmen im Tagungspräsidium. Angela Merkel ist gesetztes Mitglied im Landesvorstand, die CDU-Bundesvorsitzende hat hier ihren Wahlkreis. Interessiert lauscht sie Caffiers Fehleranalyse. Zu wenig offene Debatte im Landesverband beklagt er, schlechte Nachwuchsarbeit, Themenhoheit der Sozis. Es klingt, als habe nicht er, sondern eine außerirdische Macht diese CDU geführt. Am Ende seiner Abschiedsrede empfiehlt er den Parteiarbeiter Kokert als Nachfolger: Der sei „mehr der Schwiegermuttertyp, als ich es bin“. Der Applaus ist warm und lang, die 150 Delegierten stehen auf für Caffier. Wie es eben ist bei einem überfälligen Abgang.

Eine dreiviertel Stunde später, nach Angela Merkels Rede, wird niemand aufstehen. Viele der 150 Delegierten sehen sie in der Verantwortung für die angespannte Flüchtlingssituation seit dem Herbst 2015. Im Landtagswahlkampf war die CDU den populistischen „Merkel muss weg“-Wahlkampfparolen von AfD und NPD eher verdruckst begegnet. Eine musste ja schuld sein. In ihrer Rede geht Angela Merkel nicht darauf ein. Zwar erwähnt sie die „Werte“, denen sich Geflüchtete anzupassen hätten. „Hier gibt es keine Kompromisse“, sagt sie und lässt eine Applauspause. Doch niemand klatscht.

Sie schimpft noch ein wenig auf den türkischen Präsidenten Erdoğan und fordert bedarfs­orientierte Strukturpolitik im schönen Mecklenburg-Vorpommern. Als sie ihre Überzeugung äußert, dass die CDU auch bei dieser Bundestagswahl „wieder alle sechs Bundestagsmandate gewinnt“, ist das desinteressierte Schwätzen im Plenum kaum noch zu überhören. Zeit für den müden Schlussapplaus.

Mittagessen gibt es dann erst nach Vincent Kokerts Bewerbungsrede. Der 39-Jährige ist ein Parteiarbeiter durch und durch. Der einstige Chef der Jungen Union beschwört seine Verbundenheit mit Land und Leuten und verspricht, er wolle die Partei „Stück für Stück den Mitgliedern zurückgeben“. Seine Antwort auf „die Bedrohung von Populisten von links und rechts“ ist denkbar schlicht. „Bei der Bundestagswahl einfach das Kreuz bei der CDU machen. Der Rest ergibt sich dann schon“, sollten die Wahlkämpfer den BürgerInnen sagen. Angela Merkel betrachtet derweil interessiert die Tischplatte.

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