Besetzung an der Freien Uni Berlin: Rückzug statt Räumung

Die Besetzer*innen an der Freien Universität haben sich freiwillig zurückgezogen, weil die Uni räumen lassen wollte. Ihr Protest geht aber weiter.

Eine verzerrte Aufnahme der Philologischen Bibliothek der Freien Universität Berlin

Die Besetzer*innen an der Freien Universität fordern mehr „Uni von unten“ Foto: dpa

Gerade mal einen halben Tag währte die Besetzung eines Hörsaals an der Freien Universität (FU) in Berlin-Dahlem. Am Dienstagmittag hatten Studierende den Hörsaal 1a der Silberlaube für besetzt erklärt – knappe neun Stunden später standen Mannschaftswagen der Polizei vor der Tür. Die Besetzer*innen verließen den Raum freiwillig, bevor die Beamten mit der Räumung begannen.

„17 Wannen vor Ort, Rückzug aus dem besetzten Hörsaal 1a“, twitterten die Besetzer*innen in der Nacht von Dienstag auf Mittwoch. FU-Kanzlerin Andrea Bör soll bereits am früheren Abend im Hörsaal verkündet haben, den Studierenden werde ein Nutzungsrecht bis 21 Uhr eingeräumt – danach gelte ihre Anwesenheit rechtlich als Besetzung. Eine Mitarbeiterin der Universität hatte eine Räumung bereits am Nachmittag gegenüber der taz nicht ausgeschlossen.

Die Besetzer*innen fordern mehr Freiräume und Selbstbestimmung an der Universität. „Wir widersetzen uns dem alltäglichen Leistungszwang der Lernfabrik ‚Universität‘“, hatten sie zu Beginn der Besetzung in einer Pressemitteilung verkündet.

Raum, den die FU offensichtlich nicht zu geben bereit war: Gegen 21 Uhr seien Bör und FU-Vizepräsidentin Brigitta Schütt in den Hörsaal gekommen – zu einem „fadenscheinigen Kommunikationsversuch“, wie es das Presseteam der Besetzer*innen formuliert: Während die beiden die aus ihrer Sicht vielfältigen Möglichkeiten für Protest an der FU dargelegt hätten, hätte sich draußen die Polizei auf die Räumung vorbereitet. Gegen 22 Uhr sollen die Beamten dann die Universität betreten und Bör den Studierenden verkündet haben: „Sie verlassen jetzt das Gebäude“.

Besetzungen „grundsätzlich“ nicht akzeptiert

Die Besetzung sei ein „spontaner Impuls“ gewesen, deswegen habe es auch keine konkreten Erwartungen gegeben, sagen die Besetzer*innen. „Wir hatten den Wunsch, etwas anzustoßen. Und das hat auch funktioniert“. Denn beendet ist die Aktion trotz des Rückzugs nicht: Am Mittwoch errichteten die Studierenden einen Treff- und Vernetzungspunkt vor dem Hörsaal, am kommenden Dienstag planen sie eine größere Veranstaltung.

Bis dahin laden sie täglich zu einem Plenum ein, um mehr Studierende zu erreichen und das weitere Vorgehen zu diskutieren. Auch den Hörsaal wollen sie außerhalb von Veranstaltungen nutzen. Die FU teilte am Mittwoch Abend mit, dass sie „grundsätzlich keine Besetzung von Räumen und Gebäuden der Universität“ akzeptiere.

Sprecher der Besetzer*innen

„Was wir hier machen ist eine kreative Aneignung von Freiraum“

Der Aktion an der FU vorausgegangen war die Besetzung der Humboldt Universität (HU) Berlin im Januar: Studierende hatten im Namen der „Uni von unten“ Räume am Institut für Sozialwissenschaften besetzt und gegen die Entlassung des damaligen Staatssekretärs und früheren Dozenten Andrej Holm protestiert. Anders als die FU ließ die HU den Protest allerdings nicht umgehend räumen – die Studierenden beendeten ihre Besetzung nach etwa sechs Wochen.

Vorlesung über die 68er-Bewegung

Für einige der FU-Besetzer*innen war das die erste Erfahrung dieser Art: „Viele waren entsetzt, dass ihre Uni ihnen die Polizei auf den Hals hetzt“, sagt ein Sprecher der Gruppe. Überrascht ist er aber nicht: Schon im Jahr 2011 hatte die FU eine studentische Besetzung durch mehrere Hundertschaften der Polizei räumen lassen.

Bei der ersten Aufforderung, den Raum zu verlassen, habe Bör auf eine am Nachmittag stattfindende Ringvorlesung im Hörsaal verwiesen. Die Veranstaltungsreihe trägt den Titel „Studentenbewegung – 50 Jahre danach“, Thema des anstehenden Vortrags: das antiautoritäre Agieren der 68er-Studentenbewegung. „Mit dem Protest von vor 50 Jahren kann man sich halt gut schmücken“, sagen die Protestierenden von heute.

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