Nächste Runde im Undercover-Drama: Verdeckte Liebschaften

Die Hamburger Polizei gesteht die grundsätzliche Rechtswidrigkeit des Einsatzes der verdeckten Ermittlerin Maria B. ein – um eine Aufklärung zu unterbinden

Rote Flora in Hamburg

Beliebter Treffpunkt für Linke und Spitzel: Rote Flora in Hamburg. Foto: Christian Charisius/dpa

HAMBURG taz | Der volle Körpereinsatz der verdeckten Ermittlerin (VE) Maria B. unter dem Tarnnamen „Maria Block“ bleibt – vorerst – weiter eine geheime Kommandosache. Das Verwaltungsgericht Hamburg lehnte die Klage eines Berliner Aktivisten gegen die Polizei ab. Er wollte feststellen lassen, dass Maria B.s sexuelle Beziehung zu ihm als vermeintlicher Zielperson während ihres Undercover-Einsatzes rechtswidrig war.

Denn die Hamburger Polizei räumte ein, dass der gesamte Spionageeinsatz der Staatsschützerin des Landeskriminalamts in der linken Szene in den Jahren 2008 bis 2012 verfassungswidrig gewesen war. Dadurch gäbe es keine rechtliche Möglichkeit, Einzelbestandteile ihres Einsatzes und ihre sexuellen Beziehungen aufzuklären, argumentierte der Vorsitzende Richter.

Somit muss die Polizei ihre Akten nicht offenlegen. Nach dieser Methode hatte die Polizei bereits in einem Parallelfall die gerichtliche Aufklärung verhindert.

Keiner will vom Sex gewusst haben

Die Polizistin Maria B. war von Juli 2008 bis 2012 unter dem Tarnnamen „Maria Block“ als verdeckte Ermittlerin zur Gefahrenabwehr für die Staatsschutzabteilung des Landeskriminalamts in der linken Szene aktiv.

Verdeckte Ermittlerinnen zur Gefahrenabwehr dürfen keine Privatwohnungen betreten. Anders ist das bei Einsätzen zur Strafverfolgung wie dem von Iris P. alias Iris Schneider für den Generalbundesanwalt.

Verdeckte Einsätze zur Gefahrenabwehr bedürfen nach jüngster Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts eines „konkreten absehbaren Geschehens“ und müssen richterlich genehmigt werden.

„Jemanden unter Vorgaukelung falscher Tatsachen zum Geschlechtsverkehr zu bewegen, ist das Letzte“, schimpft der Betroffene. „Dass die Polizei diese Methoden nutzt, um Leute auszuspähen, ist schockierend. Dass sie dann auch noch die Aufklärung der Umstände durch Verweigern der Akteneinsicht behindert, ist ein Skandal.“ Er will Berufung einlegen.

In der Tat tun sich Fragen auf: Die Polizei hat im Innenausschuss der Bürgerschaft und jetzt auch vor Gericht immer wieder beteuert, dass sie von sexuellen Aktivitäten ihrer eingesetzten SpionInnen gegenüber Zielpersonen – wie auch zuvor bei der verdeckten Ermittlerin Iris P. alias „Iris Schneider“ in der queer-feministischen Szene – nichts gewusst habe. Wenn dies den Vorgesetzten „VE-Führern“ bekannt geworden wäre, wären die Undercover-Einsätze sofort abgebrochen worden, so die Einlassung der Polizei.

„Das halte ich für nicht glaubwürdig“, sagte der Berliner Kläger-Anwalt Lukas Theune der taz. Denn die heute 34-jährige Maria B. – die sexuelle Beziehungen zu mindestens zwei ihrer Zielpersonen hatte – sei von ihren VE-Führern „sehr eng geführt“ worden. Selbst bei ihren Auslandseinsätzen auf der griechischen Insel Lesbos, in Paris, Brüssel und Kopenhagen, bei denen sie Hamburger Aktivisten beobachtete, sei immer ein Tross an VE-FührerInnen mitgereist.

Mit dem Rechtsstaat unvereinbar

Laut Anwalt schließe das Gericht nicht einmal aus, dass die VE-Führer von Maria B.s Sexaffären gewusst, sie gebilligt oder sogar angeordnet hätten. Doch würde nicht einmal das Gericht erwarten, dass die VE-Führer so dumm gewesen seien, dies in den Akten zu dokumentieren.

Diesen Vorhalt aber möchte Anwalt Theune nicht ungeprüft stehen lassen. „Wir werden beim Oberverwaltungsgericht die Zulassung der Beschwerde beantragen“, sagte er. „Dass verdeckte Ermittler der Hamburger Polizei zur Erfüllung ihres Ausforschungsauftrags bis hin zu Geschlechtsverkehr mit ihren Zielobjekten gehen, ist mit rechtsstaatlichen Grundsätzen absolut unvereinbar.“

Theune ist nicht ohne Hoffnung. Auch bei der Bewertung der Kontrollen in den „Gefahrengebieten“ traute sich das Verwaltungsgericht 2012 nicht an die grundsätzliche Prüfung, da schon die Art und Weise der Durchsuchung rechtswidrig gewesen war. Erst das Oberverwaltungsgericht erklärte die Gefahrengebiet 2015 in zweiter Instanz für verfassungswidrig.

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