Kolumne Jung und dumm: Drehbuch eines Horrorfilms

Unser Autor sitzt in seinem Zimmer inmitten benutzter, heiß dampfender Kochtöpfe und lässt uns an seinem Fatalismus teilhaben.

Menschen stehen vor einem Supermarkt an

Einlassstopp im Supermarkt Foto: dpa

Jedes Mal, wenn ich einen heißen Topf auf meinen Schreibtisch stelle, habe ich Angst, dass er anfängt zu brennen. Aber irgendwie geht es nicht anders. Habe ja schon alles versucht, gutefrage.net, Magneten, die berühmte Brotteppich-Methode von Akito Kowashabe. Ich sitze in meinem Zimmer inmitten benutzter, heiß dampfender Kochtöpfe und lasse Sie an meinem Fatalismus teilhaben.

Ich frage Sie Fragen. Werden Sie auch so rallig, wenn Sie an Ihren Fingern schnüffeln, und da sind so Asianudel-Geruchsspuren dran, und Sie wissen nicht, wo die herkommen, haben Sie Angst? An meine Haut kommt nur Feta und Verzweiflung. Dazu habe ich ein Gedicht geschrieben. Es heißt „Danne Wanne“.

Trocken wie ’ne gut gefönte Badewanne

Sehr spezielle Kapernäpfel

Tomaten, Trost und Therapie

Deine Mutter stirbt an einer importierten Erdnuss

Ich esse gerne Pferd, du Nuss

Ich fresse Mark aus einem Näpfel

Und ich erde dich an wie ein Mann ohne Schwamm

Toast, Tomaten, Anarchie

Intersektionalität in der akademischen Bewegungsforschung

Weitere Erkenntnisse in Kurzform:

– Heute habe ich Tiefkühlspinat angebrannt, wie auch immer das überhaupt möglich soll.

– Es gibt nichts Widerlicheres, als mittags beim Fleischer zu essen.

– Ich höre ja sonst nur Beethoven.

– Ich habe Angst vor Satellitenbildern.

– Heute war ich indonesisch essen, weil Asia Hung zuhatte, und es hat geschmeckt, als hätte der Koch einfach nur ein bisschen Knorrsoße Barbecue über die heißen Karotten gekippt, abartig. Als am Nachbartisch nach Nachtisch gefragt wurde, hat der Kellner irgendwas mit „Eizelle“ gemurmelt.

– Eben grade ist ein Foodora-Ausliefer-Kinderarbeiter an mir vorbeigeradelt, er war etwa 13 Jahre alt, das habe ich daran gesehen, dass er deutlich mehr Bartwuchs hat als ich.

– Foodora, Lieferheld etc. sind die Pest. Onlinebestellung nimmt dem Essen die Aura. Sie ist die absolute Superhölle für besinnungslose Tech-Junkies, die nie auch nur die Ahnung eines besseren Essens bekamen.

– Ich habe da so einen Papiermüllball an der Rolle meines Schreibtischstuhls, das macht mich ganz fuchsig, ich habe mir nämlich Klopierpapier gekauft neulich und die Verpackung auf den Boden geschmissen, seitdem liegt die da und knäult sich um den Schreibtischstuhl. Sehr bald schon breche ich auf dieser Last zusammen. Lügen haben kurze Beine.

– Es wird einfach immer schlimmer. Also alles.

– Lebensmittel kaufen ist der neue gesellschaftliche ­Superspaß. Fun, Fun, Fun verspricht der Markt, Food, geil, Auswahl, Entscheidung, Hirnstoffausschüttung. Schoko­pudding, Selbst. Neulich war „Einlassstopp“ im Rewe. IM REWE!

– Die Leute wiegen mittlerweile lieber Heidelbeeren als Kinder.

– Deutschland wiegt sich ab (und zwar Heidelbeeren, sagte ich doch schon).

– Ich hasse Deutschland.

– In der Pizza ist ein Dämon.

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Seit 2015 bei der taz, zunächst als Praktikant, dann als freier Autor und Kolumnist (zurzeit: "Ungenießbar"). Nebenbei Masterstudium der Ästhetik in Frankfurt am Main. Schreibt über Alltag, Medien und Wirklichkeit.

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