Referendum in der Türkei: Für Erdoğan wird es eng

Das „Nein“-Lager liegt in Istanbul und Ankara knapp vorn. Es deutet sich ein sehr enges Rennen an. Ein erster Überblick über das Abstimmungsverhalten.

Der türkische Präsident Erdogan auf einem übergroßen Plakat

Im Straßenbild allgegenwärtig: Präsident Recep Tayyip Erdogan Foto: ap

ISTANBUL taz | Bei der Volksabstimmung über die von Präsident Recep Tayyip Erdoğan geforderte Präsidialverfassung bahnt sich eine Überraschung an. Nachdem knapp 90 Prozent der Stimmen ausgezählt sind, liegt das „Nein“-Lager in der größten türkischen Stadt Istanbul knapp vorn. Dasselbe gilt für die Hauptstadt Ankara, wo Erdoğan ebenfalls verliert. Landesweit liegen die „Ja“-Stimmen noch mit knapp 52 Prozent vorn, doch der Trend bei den noch auszuzählenden Stimmen in den großen Metropolen tendiert zum „Nein“. Das Endergebnis könnte extrem knapp werden.

Die ersten ausgezählten Stimmen kamen aus den kurdischen Gebieten im Südosten der Türkei. Erwartungsgemäß lag hier das „Nein“-Lager teilweise mit zwei dritteln der abgegebenen Stimmen vorn. Danach kamen die Wahlbezirke aus Zentralanatolien und der Schwarzmeerküste mit den Hochburgen Erdoğans und der AKP und der ultranationalistischen MHP. Hier dominierten die „Ja“-Stimmen mit überwältigender Mehrheit. Das war erwartet worden.

Das Bild änderte sich wieder, als die Ergebnisse der Wahlbezirke entlang der Ägäis-Küste eintrafen. Hier hatte Erdoğans Verfassungsänderung keine Chance, die Bewohner der Ägäis und Mittelmeerküste sind ganz überwiegend gegen die Alleinherrschaft des Präsidenten.

Im Prinzip entspricht das dem Bild vorangegangener Wahlen. Die Türkei ist geographisch in drei Teile gespalten. Der Westen und die Mittelmeerküste sind republikanisch und gegen die islamische AKP von Präsident Erdoğan. Zentralanatolien hat schon immer AKP gewählt und stimmt auch jetzt der Verfassungsänderung zu. Im kurdischen Südosten ist dagegen die große Mehrheit gegen Erdoğan und deshalb jetzt natürlich auch gegen die Verfassungsänderung.

Zwei Erwartungen wurden nicht bestätigt

Es gibt allerdings einen großen Unterschied zu vorangegangenen Wahlen. Nicht nur Istanbul, sondern die gesamte Marmararegion, das Powerhaus der Türkei, in dem die Hälfte des Bruttosozialproduktes des Landes erwirtschaftet wird, stimmt dieses Mal gegen die Verfassungsänderung und damit gegen Erdoğan.

Für den Präsidenten haben sich bei dem Referendum zwei Erwartungen nicht bestätigt: Die Mehrheit der konservativen religiösen Kurden hat dieses Mal nicht für ihn gestimmt und mindestens die Hälfte der nationalistischen MHP-Wähler hat sich ebenfalls gegen Erdoğan und damit gegen die eigene Parteiführung gestellt und „Nein“ gewählt.

Das endgültige Wahlergebnis wird extrem knapp ausfallen.

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