Kein Denkmal für Sinti: Opfer, vermischt mit den Tätern

In Zetel bei Wilhelmshaven kämpfen die Nachfahren deportierter Sinti für eine eigene Gedenktafel – bislang vergeblich.

Dorthin wurden die Mitglieder der Familie Frank aus Zetel verschleppt: das KZ in Auschwitz-Birkenau, so wie es heute aussieht. Foto: Jens Kalaene/dpa

„In jedem kleinen Dorf gibt es ein Denkmal für die gefallenen Soldaten, das von den Ämtern gehegt und gepflegt wird. Aber für uns soll es das nicht geben? Das tut doch weh!“ Christel Schwarz, der Vorsitzende des Freundeskreises der Sinti und Roma in Oldenburg sitzt im Vereinsbüro „Maro Kher“ („Unser Haus“) im Stadtteil Kreyenbrück und kann immer noch nicht richtig verstehen, was in der Gemeinde Zetel vor den Toren Wilhelmshavens geschehen ist.

Wie Hunderte anderer Sinti und Roma aus dem Nordwesten Deutschlands wurde auch seine Familie im März 1943 über den Bremer Schlachthof nach Auschwitz verschleppt. Bis dahin hatte sie in Zetel, im Ortsteil Bohlenberge gelebt. „Von meiner dreijährigen Schwester bis zu meiner Großmutter – insgesamt sind elf Angehörige der Familie Frank deportiert worden – nur drei sind zurückgekommen.“

Doch während nicht nur Hamburg, sondern auch in Oldenburg und Bremen Gedenktafeln an die von dort verschleppten Sinti und Roma erinnern, wird dies in Zetel seit Jahren verweigert. Was es in Zetel seit 2008 gibt, ist ein Denkmal für „alle Opfer von Gewalt und Krieg“. Zu dessen Einweihung war Christel Schwarz eingeladen worden einen Vortag zu halten. „Das habe ich abgelehnt“, erzählt er. „Sie haben uns vorher nicht gefragt, wie das Denkmal gestaltet werden sollte und es einfach entschieden. Sie haben die Asche der Toten aus Auschwitz mit der Asche der Soldaten vermischt. Wir können nicht zulassen, dass man Opfer und Täter vermischt. Wie kann ich dazu einen Vortrag halten? Die Soldaten hatten Maschinengewehre, Kampfflugzeuge und Panzer – und unsere Leute mussten nackt in die Gaskammern gehen.“

Gemeinde: niemand herausheben

Die Gemeinde begründete ihre Ablehnung einer eigenen Gedenktafel für die Familie Frank damit, dass man niemanden herausheben wolle, aus „Sorge, dass man eine vergisst“. Dem entgegnet Schwarz, dass ja alle anderen möglichen Opfer dazukommen könnten, „ob es nun Homosexuelle, Kommunisten oder Zeugen Jehovas sind, ich gönne es jedem“. Schwarz sagt, er wolle mit allen zusammenarbeiten. „Wenn man uns den kleinen Finger reicht, geben wir die ganze Hand. Aber der kleine Finger muss auch kommen.“

Immerhin wurde letztes Jahr eine Straße in Zetel-Bohlenberge in „Anton-Franz-Straße benannt – nach dem Onkel von Christel Schwarz, der den Völkermord überlebt hat und in den 1970er-Jahren verstorben ist. Ein zusätzliches Hinweisschild, an dessen Text Christel Schwarz mitgearbeitet hat, erläutert das Schicksal von Anton Franz und seiner Familie. Stolz erzählt Schwarz, dass eine Nichte von ihm, die in einem Wanderzirkus lebt, in der Schule einen Aufsatz über ihren Großvater Anton Franz mit dem Titel „Mein Opa, der Held“ geschrieben hat und dafür in Berlin einen Preis bekam.

Für eine Gedenktafel in Zetel tritt Christel Schwarz weiter ein. „Wenn die Gemeinde uns kein Grundstück zur Verfügung stellt, werden wir uns privat um eins bemühen“, sagt er. Schon durchgesetzt haben die Oldenburger Sinti neue Räume für ihr Kultur-und Bildungsangebot. „Wir wollen, dass unsere Jugendlichen es einmal anders haben“, sagt Schwarz. „Wir wollen, dass es Rechtsanwälte, Steuerberater, Bürgermeister, Maurer und Zimmerleute bei uns gibt. Das ist meine Arbeit. Wir wollen endlich eine Gleichbehandlung.“

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