Kolumne Mithulogie: Ein Baby ist keine Geste

Schönen Muttertag! Wir brauchen mehr Babys im Parlament, mehr Kindergeschrei bei Kulturveranstaltungen.

Abgeordnete Larissa Waters stillt ihr Baby im australischen Parlament

Larissa Waters stillt ihr Baby im australischen Parlament – und nichts Schlimmes passiert Foto: reuters

Es gibt ja auch gute Nachrichten. Letzte Woche tweetete die australische Abgeordnete Larissa Waters: „So proud that my daughter Alia is the first baby to be breastfed in the federal Parliament.“ Für alle, die kein Englisch sprechen, fügte sie ein Foto hinzu, auf dem sie ihre Tochter in dem ehrwürdigen Sitzungssaal stillt. Das Gesetz, das dies verbot, war im Februar auf Druck von Par­la­men­ta­rier*in­nen wie Waters gekippt worden. Happy Mother’s Day! Der ja international (irgendwie) aus der Frauenbewegung hervorgegangen ist, und nur in Deutschland aus der Initiative des Verbands Deutscher Blumengeschäftsinhaber.

Dass das Parlament nicht einstürzt, sobald man Babys hi­nein­trägt, zeigte auch die Isländerin Unnur Brá Konráðsdóttir, die ihrer Tochter letztes Jahr sogar während ihrer Rede vor dem Al­thing die Brust gab. In der Übertragung des isländischen Rundfunks (RUV) sieht man, wie ihr die anderen Abgeordneten völlig unbeeindruckt zuhören. Und das Schönste ist: Sie sprach nicht über Frauen- oder Mütterrechte, sondern über das Ausländergesetz. Das Baby war keine Geste, es war ein Baby.

Auch der Deutsche Bundestag will kinderfreundlicher werden. Dafür wurde gerade das Zimmer S002 als Spielzimmer eröffnet. Wobei „eröffnet“ relativ ist, da es sich bisher lediglich um vier Donnerstage zwischen 17 und 21 Uhr handelt. Aber immerhin. Schließlich ist Bun­des­tags­abge­ord­nete*r einer der Jobs, bei denen man keine Elternzeit nehmen kann, sondern nach acht Wochen wieder auf dem roten Teppich stehen muss. Es sei denn, man ist CDU/CSU-Spit­zenpolitiker*in, dann ist der Teppich blau, da die roten für schlappe 80.000 Mark herausgerissen wurden, damit sich die CDU/CSU nicht von einem Bodenbelag mit abweichender politischer Ausrichtung beleidigt fühlt.

Nun ist es in Deutschland zwar in der Regel kein Pro­blem, Kinder in der Öffentlichkeit zu stillen, anders als in England, wo der Equality Act es erst 2010 verbot, stillende Frauen aus Cafés oder Bussen zu schmeißen. (wobei es natürlich nach wie vor versucht wird.)

Sobald die Kleinen jedoch aufhören zu trinken und anfangen, Geräusche zu machen und/oder über den Fußboden zu robben, findet auch bei uns die Mehrheit, dass sie nach Hause gehören – und die Mütter* bitte mit dazu. Ich erinnere mich mit Schaudern an die Eisenbahnepisode aus „Mit Schirm, Charme und Melone“, die ich beim „Festival des nacherzählten Films“ nacherzählte, während mein Sohn mir vom Arm meiner Freundin Andrea aus irgendetwas in Babysprache zurief.

Danach beschwerte sich eine Reihe von Leuten bei mir, sie hätten mich dadurch nicht richtig mitbekommen. Wenn ich mit meinem Kind zu Hause geblieben wäre, hätten sie mich gar nicht mitbekommen.

Wir brauchen mehr Babys im Parlament, mehr Kindergeschrei bei Kulturveranstaltungen und mehr Kleinkinder, die während Fernsehübertragungen ins Zimmer stürmen, wie unlängst bei einer Schalte auf BBC World News geschehen – weil sie nun einmal existieren und wir Mütter* nicht aus Politik, Kultur und allem anderen verbannen dürfen.

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