Konferenz zum Bodenschutz: Ohne Boden kein Essen, kein Frieden

Auf der Global Soil Week suchten Experten nach Wegen, um fruchtbare Böden zu schützen. Umweltpolitiker Töpfer schlug eine UN-Bodenkonferenz vor.

Baustelle für eine Autobahn

Allein in Deutschland werden täglich etwa 29 Hektar für den Verkehr „verbraucht“ Foto: dpa

BERLIN taz | Ein Mann steht in einer Küche – zuletzt fast nackt. Ihm fliegen nacheinander die Möbel weg, der Computer, der Kühlschrank, Essen und Trinken, seine Kleidung. „Alle diese Dinge würden nicht existieren ohne Boden“, klärt eine Stimme den Erschrockenen auf.

Der Kurzfilm auf der Website der Global Soil Week 2017 verdeutlicht anschaulich, warum Boden unersetzlich ist. „Es gibt kein schlimmeres Alarmzeichen für den Weltfrieden als leere Mägen“, warnte auch der „Papst der Bodenforschung“, US-Professor Rattan Lal, zum Abschluss der vierten Weltbodenwoche in Berlin vor rund 600 Teilnehmenden.

Die internationale Wissenschaftskonferenz war 2012 von Klaus Töpfer initiiert worden, damals noch Direktor des Nachhaltigkeitsinstituts IASS in Potsdam. Weil er es geschafft hatte, das Thema Boden auf die internationale Agenda zu hieven, überreichte ihm „Bodenpapst“ Lal dieses Jahr den „Nobelpreis der Bodenforschung“, die Medaille der International Union For Soil Science. Töpfers Gesichtsausdruck verriet, dass ihm die Ehrung nicht das Angenehmste auf der Welt war.

Der Preis erinnere ihn daran, was noch zu tun sei, bedankte er sich dennoch artig. Es wäre besser gewesen, wenn der Erhalt fruchtbarer Böden als eines jener 17 UN-Nachhaltigkeitsziele festgeschrieben worden wäre, die bis 2030 von allen UN-Mitgliedsstaaten verwirklicht werden sollen. Er frage sich, ob es analog der UN-Klimakonferenz auch einer UN-Bodenkonferenz bedürfe und ähnlich dem Weltklimarat IPCC der Einrichtung eines Weltbodenrats. In manchen Ländern sollte man sich dabei auf die Ausbeutung von Bodenmineralien konzentrieren, in anderen auf anderes. Die Reaktionen im Saal verrieten Zustimmung.

Anwesend waren Forscher, zivilgesellschaftliche Akteurinnen und Regierungsdelegatio­nen aus Benin, Burkina Faso, Kamerun, Indien, Deutschland und anderswo. Per Raumgestaltung und neuen partizipativen Methoden hatte sich das Organisationsteam sichtlich um ein Treffen auf Augenhöhe bemüht: Die Teilnehmenden saßen im Kreis um eine runde Plattform, auf der auch Töpfer tänzelte, geschmückt mit bunten Symbolen für die 17 Nachhaltigkeitsziele, von denen viele mit der Ressource Boden zu tun haben.

Die UN-Nachhaltigkeitsziele

„Keine Armut“ und „kein Hunger“ mehr bis 2030 verheißen etwa die ersten beiden Ziele, „Gesundheit“ das dritte, „Klimaschutz“ das vierzehnte, „Frieden und Gerechtigkeit“ das sechzehnte. Der Fortschritt bei der Umsetzung wird jedes Jahr vom „Hochrangigen Politischen Forum für Nachhaltige Entwicklung“ der UN überprüft. Die diesjährige Weltbodenwoche erarbeitete Botschaften für jene Überprüfung im Juli in New York, etwa mehr Augenmerk auf Landrechte und die Veränderung von Konsummustern in reichen Ländern.

„Keine Armut“ und „kein Hunger“ mehr bis 2030, verheißen etwa die ersten beiden UN- Ziele, „Gesundheit“ das dritte

Die Ressourcen für die Verwirklichung der UN-Ziele aber schrumpfen. Mehr als die Hälfte des globalen Agrarland sei bereits degradiert, so der Präsident der UN-Generalversammlung Peter Thompson, 3,6 Milliarden Hektar Steppenland seien von Wüstenbildung betroffen. „Wir erleben Klimawandel, Dürren, Fluten, Ernährungsunsicherheit, Armut, Migration und Verwüstung“, berichtete Daouda Maiga vom Agrarministerium Burkina Fasos. Ihre Schlussfolgerung: „Es gibt keine nachhaltige Entwicklung, wenn das Land krank ist.“

Die Katastrophen sind dabei sehr ungleich verteilt. Menschen in reichen Ländern futtern denen in armen Ländern die Teller leer: Auch in der EU stammen rund 40 Prozent der Lebens- und Futtermittel aus anderen Kontinenten. Diejenigen, die die Natur oder kleinbäuerliche Landrechte gegen das Landgrabbing von Agrokonzernen und Banken verteidigen, seien immer stärker bedroht, der Handlungsspielraum zivilgesellschaftlicher Gruppen schrumpfe vielerorts dramatisch, führte Barbara Unmüßig von der Heinrich-Böll-Stiftung aus. „Wie teuer sind unsere Billiglebensmittel?“, fragte denn auch Alexander Müller, ein Kollege von Klaus Töpfer in dessen neugegründetem „Thinktank for Sustainability“.

Erzeugung von „Negativemissionen“

Aber es gibt auch nachhaltige Lösungen, „Soilutions“, die in Workshops und an Ständen präsentiert wurden: Gesetze, die Gemeingüter und Allmenden schützen, Bio-Anbau, Agroforstsysteme, Einbringung von Pflanzenkohle, wie etwa in Burkina Faso praktiziert, und vieles mehr. Die Erzeugung von „Negativemissionen“, indem man den Kohlenstoff aus der CO2-übersättigten Atmosphäre zurück in die Erde bringt, forderte auch Celine Charveriat vom belgischen Institute for European Environmental Policy. „Bodenpapst“ Rattan Lal pflichtete dem vehement bei. Und: „Wir müssen die Bauern für Ökodienstleistungen belohnen. Und sie müssen in den internationalen Dialog einbezogen werden.“

Jes Weigelt vom Potsdamer IASS, Hauptorganisator der Konferenz, zeigte sich am Ende zufrieden. Der größte Erfolg sei, dass man demokratische Räume habe schaffen können, in denen auf Augenhöhe diskutiert werde, wie die „eigentlich schwache“ Nachhaltigkeits-Agenda umgesetzt werden könne. Und dass sich Regierungen wie die von Burkina Faso, Benin oder Kamerun dabei beteiligten.

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