Grünen-Politiker zieht Wahlbilanz: „Wir waren zu harmonisch“

Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter über die Wahlschlappe in NRW und die Lehren, die seine Partei daraus ziehen sollte.

Grüne Kräuter auf einer Anrichte. Sie sind zum Probieren da

Schön grün, aber am Ende muss das Zeug auch jemand kaufen Foto: dpa

taz: Herr Hofreiter, die Grünen haben in NRW miserabel abgeschnitten, die Umfrageergebnisse bundesweit sind schlecht. Was muss sich ändern?

Anton Hofreiter: In NRW sind wir mit hohem Risiko und großer Reformbereitschaft in das schwierige Gebiet der Schulpolitik hineingegangen. Wir haben da sicher nicht alles richtig gemacht, und was wir richtig gemacht haben, ist nicht genug hängen geblieben. Leider haben Klima- und Umweltpolitik keine ausreichende Rolle gespielt – das ist bundesweit gerade auch nicht anders. Generell waren wir zu harmonisch unterwegs und haben nicht ausreichend deutlich gemacht, wofür wir stehen.

Es scheint das schlagende Argument zu fehlen, warum man die Grünen heute noch wählen sollte.

Wir werden den Menschen deutlicher machen, wofür wir stehen und was die Menschen kriegen, wenn wir regieren: Umweltschutz, Gerechtigkeit, Vielfalt. Zum Beispiel brauchen wir Null-Emissions-Autos. Die brauchen wir aus Klimaschutzgründen und aus Gesundheitsgründen. Und auch, um die Autoindustrie zu retten und Arbeitsplätze und Wertschöpfung zu sichern. Entweder diese Autos werden hier produziert oder eben woanders. Wir müssen soziale Sicherheit für alle mit Nachhaltigkeit verbinden. Für Europa und gute Flüchtlingspolitik brauchen wir Menschlichkeit statt Abschottung, Integration statt Spaltung.

Jenseits des Autos sind das Allgemeinplätze, die man auch bei anderen Parteien findet.

Entscheidend ist aber die Umsetzung. Zum Beispiel bei der Integration. Klares Beispiel: Der Familiennachzug muss wieder eingeführt werden. Wir brauchen ein Einwanderungsgesetz, das den Namen verdient. Und bei einer verschwurbelten Leitkulturdebatte der Union werden wir uns nicht wegducken.

Ducken sich die Grünen weg? Fehlt es also an Kampfgeist und Konfliktfreudigkeit?

Nein, wir werden noch deutlicher machen, wofür wir stehen, und dass das, was die Bundesregierung derzeit macht, so nicht funktioniert. Beispiel Europa, Beispiel Dieselabgase.

47, ist seit 2013 Fraktionsvorsitzender der Grünen. Er wollte die Grünen als Spitzenkandidat in den Bundestagswahlkampf führen, landete aber bei der Urwahl nur auf Platz drei hinter Cem Özdemir und Robert Habeck.

Aber dann sägt die Union an der doppelten Staatsbürgerschaft und was hört man von Cem Özdemir? Dass eine Reform der doppelten Staatsbürgerschaft durchaus sinnvoll sein könnte. Braucht man dafür die Grünen?

Da ist Cem bewusst missverstanden worden. Wir verteidigen den Doppelpass und Cem verteidigt den Doppelpass auch. Über Reformen kann man doch immer nachdenken.

Natürlich kann man das. Bleibt aber die Frage, warum man die Grünen wählen sollte.

Wir werden es immer wieder sagen: 1. Ökologie, 2. Gerechtigkeit, 3. Verteidigung der Bürgerrechte und der offenen Gesellschaft. Konkret, bei der Ökologie: Raus aus dem Verbrennungsmotor, rein in alternative Antriebe, raus aus der Kohlekraft, Ausbau der erneuerbaren Energien, raus aus der Massentierhaltung, mehr gute Landwirtschaft. Bei der Gerechtigkeit: Einführung einer Bürgerversicherung, als gute Krankenversicherung für alle, und Alleinerziehende brauchen insgesamt mehr Unterstützung. Bei der Bürgerrechtsfrage: Rechtsstaatlichkeit nicht abbauen, keine anlasslose Datenspeicherung. Und die Verteidigung von Europa natürlich. Das alles muss man sehr klar und deutlich ausdrücken.

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Sie fordern also mehr Zuspitzung. Cem Özdemir und Katrin Göring-Eckardt aber stehen eher für einen abwägenden, mittigen Kurs. Sind sie dafür die richtigen Kandidaten?

Ja, das sind sie. Sie sind beide erfahrene Bundespolitiker und mit ihren Biografien stehen sie für das grüne Profil. Neben Ökologie eben für soziale Gerechtigkeit und Integration. Cem ist der beliebteste Oppositionspolitiker. Die können das.

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