Kommentar Raketentests in Nordkorea: Kim versucht es wieder

Sanktionen oder ein militärischer Erstschlag gegen Nordkorea hilft kaum. Die wachsende Mittelschicht im Land könnte die Rettung sein.

Ein Militärfahrzeug transportiert eine Rakete

Die nächste Bombe ist schon unterwegs (Archivbild 2013) Foto: dpa

Er kann es einfach nicht lassen: Kim Jong Un hat am Montag bereits zum neunten Mal in diesem Jahr eine Rakete getestet. Wie immer versuchen viele Nordkorea-Beobachter nun eine Symbolik hinter dem gewählten Datum zu erkennen: Der 29. Mai sei schließlich „Memorial Day“, an dem in den USA der im Krieg fürs Vaterland Gefallenen gedacht wird. Zufall?

Längst hat Kim Jong Un unter Beweis gestellt, dass er bei der Entwicklung seines Raketen- und Atomprogramms wenig Rücksicht auf die Tagespolitik nimmt. Ob Trump den Diktator noch am Vortag verdammt hat, die G7-Staatschefs eine Warnung aussprechen oder der südkoreanische Präsident Moon Jae In Annäherung signa­lisiert: Kim zündelt weiter.

Nun könnte man daraus den Schluss ziehen, der Westen solle resignieren und die nuklearen Ambitionen Nordkoreas einfach akzeptieren. In der Tat sind Wirtschaftssanktionen allein beim Umgang mit Nordkorea unweigerlich zum Scheitern verurteilt. Nähmen wir einmal an, China würde von heute auf morgen seine Öllieferungen nach Nordkorea einstellen. Dass Millionen von Nordkoreanern infolgedessen ihr Leben verlieren würden, wäre wohl unvermeidlich. Ob dies das Regime zum Einlenken bringen würde, ist zweifelhaft. Es hat in der Vergangenheit gezeigt, dass es für den Selbsterhalt immenses Leid seiner Bevölkerung in Kauf nimmt.

Auch ein militärischer Erstschlag kann keine ernsthafte Option sein. Nur eine Autostunde südlich der innerkoreanischen Grenze lebt schließlich fast die Hälfte aller 50 Millionen Südkoreaner im Großraum Seoul.

Der Westen könnte die ­aufkeimende Marktwirtschaft Nordkoreas aber auch als Chance begreifen. In ­vielen Städten des Landes gibt es bereits eine wachsende Mittelschicht, die immer individualistischer und freiheitlicher denkt. Mittelfristig birgt das eine Chance für gesellschaftlichen Wandel. China und Vietnam haben es vorgemacht.

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Seit 2019 China-Korrespondent mit Sitz in Peking. Arbeitete zuvor fünf Jahre lang als freier Journalist für deutschsprachige Medien in Seoul, Südkorea. 2015 folgte die erste Buchveröffentlichung "So etwas wie Glück" (erschienen im Rowohlt Verlag), das die Fluchtgeschichte der Nordkoreanerin Choi Yeong Ok nacherzählt. Geboren in Berlin, Studium in Wien, Shanghai und Seoul.

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