Der Mohr ist endlich gegangen

Rita Gudermann und Bernhard Wulff erzählen kundig und wundervoll illustriert, wie aus dem dienenden Sarotti-Neger ein exotischer Zauberer wurde

Man muss zweimal hinsehen, um das Neue an dieser alten, uns so wohl vertrauten Figur wahrzunehmen: Nicht mehr der süße, kleine „Sarotti-Mohr“ tritt uns hier entgegen, sondern ein Magier, der mit Sternen jongliert. Die Marketing-Experten der Stollwerk AG verpassten im Jahr 2004 den Produkten der Marke Sarotti ein neues Logo, um sie fit zu machen für die globalen Verkaufsschlachten.

Dies kann wohl vor allem als eine Reaktion auf die anhaltende Kritik gesehen werden, die Figur verkörpere das rassistische Stereotyp des „dienstbaren Negers“, das Bild vom Afrikaner als subalternes Wesen. Schließlich sind ja auch „Negerküsse“ und „Mohrenköpfe“ obsolet geworden. Auf alle Fälle hat der „weiße Mann“ schon seit langem den Sarotti-Mohr zum Fressen gern, diesen kindchenhaften Fremden mit Kulleraugen, orientalisch gekleidet in Pumphosen und Turban, umgeben mit dem Zauber von Tausendundeiner Nacht.

Nun liegt mit dem Buch von Rita Gudermann und Bernhard Wulff ein Werk vor, in dem das Auf und Ab der Schokoladen- und Pralinenfirma Sarotti gut recherchiert geschildert wird. Damit ist nicht zuletzt ein Stück Berliner Wirtschafts- und Kulturgeschichte aufgearbeitet worden, denn die Geschichte des Unternehmens begann im September 1852, als in der preußischen Hauptstadt das Confiserie-Geschäft „Felix & Sarotti“ eröffnet wurde.

Später stand dann im Stadtteil Tempelhof das Stammwerk; in der Fabrikanlage waren 1910 bereits 1.800 Arbeiter angestellt. Die Figur des Sarotti-Mohren hatte der Werbekünstler Julius Gipkens in den letzten Monaten des Ersten Weltkrieges kreiert. Zeigte das Bildzeichen damals noch „Drei Mohren mit Tablett“, wurde 1922 die klassische Sarotti-Mohren-Figur ins Markenregister eingetragen. Man vermutet, dass die heute noch so benannte Mohrenstraße in Berlin-Mitte, in der sich zeitweise die Sarotti-Fabrik befand, den Grafiker dazu inspirierte, einen Mohren als Markenzeichen zu wählen.

Wie die Autoren mit zahlreichen Bilddokumenten belegen, erschien der Sarotti-Mohr fortan in unzähligen Variationen auf den Schokoladenverpackungen, auf Postkarten oder Tassen; ebenso fand er als Nippesfigur seinen Weg in die Haushalte und Kinderzimmer. Er überstand sogar den Rassenfanatismus der Nazis, die bekanntlich 1934 den auf den Hl. Mauritius zurückgehenden Mohrenkopf aus dem Coburger Stadtwappen eliminierten.

Der Sarotti-Mohr, der bis auf den heutigen Tag zu den bekanntesten Figuren der deutschen Werbegeschichte gehört, war stets ein fester Bestandteil des Exotismus-Diskurses in Deutschland. Die den Zeitgeist widerspiegelnden Wandlungen von der schwarzen Dienerfigur zum modernen Zauberer ist jedenfalls reklametechnisch raffiniert gelöst worden; auf diese Weise wird wohl die Figur für viele Konsumenten bei ihren eiligen Einkäufen weiterhin der „Mohr“ bleiben, auch wenn seine Haut nunmehr gülden schimmert.

JOACHIM ZELLER

Rita Gudermann (Mitarbeit: Bernhard Wulff): „Der Sarotti-Mohr. Die bewegte Geschichte einer Werbefigur“. Links Verlag, Berlin 2005, 174 Seiten, 29,90 Euro