Tausche Auto gegen Jahreskarte

In Belgien ist es ein Renner: Wer sein Auto abmeldet, darf zunächst umsonst im Nahverkehr fahren. Trotz des Andrangs in Flandern wird es dieses Angebot in Deutschland nicht geben. Ähnliche Versuche hat die Bahn wegen Erfolglosigkeit eingestellt

VON FABIAN KRÖGER

Angesichts der vielen Fans, die nun wieder zur Automobilmesse in Frankfurt strömen, klingt es sehr erstaunlich: Im belgischen Flandern haben fast 30.000 Familien freiwillig auf ihr Auto verzichtet und es gegen eine Jahreskarte für Bus und Bahn eingetauscht. Die flämische Verkehrsgesellschaft „De Lijn“ bietet diesen Tausch seit Oktober 2002 an. Wer auf sein einziges Auto verzichtet, erhält Jahresfahrkarten für die ganze Familie. Wer zusätzlich auch noch seinen Zweitwagen abmeldet, bekommt ein Einzel-Abonnement für drei Jahre.

Nur rund 800 Familien hätten sich inzwischen wieder ein Auto angeschafft, berichtet die belgische Zeitung De Morgen aus Brüssel. „De Lijn“ bewertete dies als „fantastischen Erfolg“. Allein in diesem Jahr seien schon 11.000 flämische Familien vom Auto auf Busse und Straßenbahnen umgestiegen.

Ähnlich radikale Angebote gibt es in Deutschland bisher nicht. Für das größte deutsche Nahverkehrsunternehmen – die Berliner BVG – „wäre es genial“, 30.000 neue Kunden zu gewinnen, schwärmt Pressesprecherin Petra Reetz. Da im Berliner Innenstadtbereich aber nur jeder Dritte ein Auto besitze, rentiere sich so eine Autoumtausch-Aktion nicht. Als Anreiz müsste außerdem ein „extremer Sonderpreis“ für die Jahreskarte geboten werden, was wiederum hohe Kosten verursachen würde. Reetz hält es daher für wichtiger, dass sich öffentlicher Nahverkehr und Auto ergänzen.

Auch bei der Deutschen Bahn preist man das eigene Angebot nicht gerne als Alternative zum Auto an: Vor einigen Jahren sei eine ähnliche Autotauschaktion wie in Flandern eingestellt worden, sagte Personenverkehr-Sprecher Achim Stauss der taz. Der Erfolg sei zu gering gewesen.

Wie die BVG setzt auch die Bahn darauf, besondere Angebote für Autofahrer zu entwickeln. Allerdings kosten Angebote wie die „Mobility Bahncard“, mit der man ein Jahr lang das Netz der Deutschen Bahn und den öffentlichen Nahverkehr in allen größeren Städte nutzen kann, gutes Geld: über 3.000 Euro. Dafür gibt es dann auch Rabatte beim Carsharing der Bahn.

Die sozialwissenschaftliche Mobilitätsforschung hingegen begrüßt das Projekt in Belgien. Die Idee, das Auto gegen eine Bahnkarte zu tauschen, sei momentan „sehr attraktiv“. Denn ein Ende der Benzinpreiserhöhungen sei nicht absehbar, gibt Weert Canzler vom Wissenschaftszentrum Berlin zu bedenken. Allerdings seien für den Verzicht aufs Auto immer persönliche „Umbruchsituationen“ entscheidend, etwa wenn die Kinder das Haus verlassen.

Eine Bremer Studie „Vier Wochen ohne Auto“ zeigte schon 1990, dass der Verzicht aufs eigene Fahrzeug überraschend populär sein kann: Fünf von sechs Haushalten stellten damals nach einem Monat fest, dass sie eigentlich kein Auto benötigten – und schafften es ab.

Der Alternative Carsharing ist hingegen bisher eher wenig Erfolg beschieden. In der Theorie klingt es gut, das Automobil „vom Privatwagen zum gemeinschaftlichen Nutzungsgut umzudeuten“. Doch hierbei sei wohl vielen der Aufwand zu hoch, konstatiert Canzler.

Vielen ist es lästig, ihr Auto abzugeben, sobald sie es nicht mehr benötigen, um sich bei der nächsten Fahrt ein anderes abzuholen. Das Prinzip „Nutzen ohne Nachdenken“ habe über das Prinzip „Nutzen ohne Besitzen“ gesiegt. Vielleicht zeigt das Beispiel aus Flandern, dass es einfacher ist, das Auto ganz aufzugeben, anstatt es mit anderen zu teilen.