Bundestag will in Niedersachsen baggern: Elbvertiefung bis Tschechien

Die Mittelelbe östlich von Hamburg soll für größere Schiffe ausgebaggert werden. Naturschützer befürchten, der Fluss werde ökologisch ruiniert.

Die Elbe bei Dömitz

Noch naturnah und trotzdem schiffbar: Die Elbe bei Dömitz. Foto: dpa

HAMBURG taz | Die Elbe soll weiter ausgebaggert werden – jetzt auch östlich von Hamburg. Den seit 15 Jahren geltenden Ausbaustopp an der mittleren Elbe hat der Bundestag mit den Stimmen der Großen Koalition aufgehoben. Damit droht eine Elbvertiefung in den Unesco-Biosphärenreservaten zwischen Sachsen-Anhalt und Schleswig-Holstein.

Der Bund müsse „durch eine erhebliche Investitionsbereitschaft seinen Aufgaben als Eigentümer und Betreiber der Bundeswasserstraße Elbe nachkommen“, heißt es in der am Mittwoch verabschiedeten Entschließung. „Das ist Wortbruch“, sagt Iris Brunar vom Elbeprojekt des Bundes für Umwelt und Naturschutz (BUND): „Wir wurden getäuscht.“

Nach dem Beschluss, den auch die Linke mitträgt und einzig die Grünen ablehnen, soll nun das Bundesverkehrsministerium „zeitnah“ Planfeststellungsverfahren vorbereiten und „den erforderlichen Personal- und Sachmittelbedarf für die Umsetzung vorlegen“.

Im Fokus steht die Strecke an der Grenze zwischen Niedersachsen und Mecklenburg-Vorpommern zwischen Dömitz und Hitzacker mitten in den Unesco-Biosphärenreservaten „Niedersächsische Elbtalaue“ und „Flusslandschaft Elbe Mecklenburg-Vorpommern“. Dieser Bereich weist häufig besonders niedrige Wasserstände auf und behindert somit die Binnenschifffahrt von Hamburg nach Berlin, Dresden und Prag.

Für Brunar ist es dennoch „nicht nur ökologisch, sondern auch ökonomisch unsinnig, den Fluss zu ruinieren“. Denn alternativ können Schiffe zwischen Magdeburg und Lauenburg den Weser-Elbe-Kanal und den Elbe-Seiten-Kanal nutzen: „Hier wird eine Parallelstruktur ausgebaut“, kritisiert Brunar. Deshalb gebe es „keinerlei Bedarf für eine weitere Vertiefung der Elbe“, kommentiert auch Carl-Wilhelm Bodenstein-Dresler, Chef des BUND in Niedersachsen.

Hauptgrund für den Ausbaubeschluss ist die Forderung Tschechiens, seinen Moldauhafen – ein Hafenbecken des Hamburger Hafens – jederzeit pro­blemlos erreichen zu können. 1929 verpachtete Deutschland dieses Becken als Konsequenz aus den Versailler Verträgen für 99 Jahre an die Tschechoslowakei, der Vertrag endet 2028.

Die Elbe ist mit fast 1.100 Kilometern Länge nach Donau und Rhein der drittlängste Fluss Deutschlands und einer der großen Ströme Europas. Sie entspringt im tschechischen Riesengebirge und mündet bei Cuxhaven in die Nordsee.

Zur Zeit der deutschen Teilung war die Elbe auf rund 100 Kilometern Grenzfluss und nur wenig befahren. Deshalb ist sie, anders als der Rhein, in langen Abschnitten ein naturbelassener Fluss.

Zur Naturlandschaft der Elbe gehören der Nationalpark Sächsische Schweiz mit dem Elbsandsteingebirge und vier Unesco- Biosphärenreservate auf der gesamten Flusslänge zwischen Sachsen und Schleswig-Holstein.

Tschechien hätte gern, dass die Elbe zwischen Prag und Hamburg an 345 Tagen im Jahr einen Wasserstand von mindestens 1,40 Metern aufweist, um durchgängig schiffbar zu sein. Dazu müssten aber an der deutschen Elbe mehre Staustufen errichtet werden, kritisiert Bodenstein-Dresler, das sei nicht akzeptabel.

Die Bundestagsmehrheit sieht das anders. „Flussbauliche Maßnahmen“ seien zu akzeptieren, „wenn sie zugleich ökologischen, wasserwirtschaftlichen und verkehrlichen Zielen dienen“, heißt es in dem Beschluss.

Anders als der Rhein ist die Elbe über weite Abschnitte ein naturbelassener Fluss. Schadstoffe aus der Vergangenheit, Belastungen durch die Landwirtschaft und ihr Status als Bundeswasserstraße machen dem Fluss ökologisch trotz großer Verbesserungen bei der Wasserqualität aber weiter zu schaffen.

Sorgen macht Christian Wolter vom Berliner Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei zudem die Schifffahrt. „Es geht vor allem um die Belastung durch Wellenschlag am Ufer“, sagt er. Dort lebten Jungfische und Pflanzen in der flachen Uferzone. „Die Rückströmung zieht das Wasser vom Ufer weg“, berichtet Wolter, stellenweise könne das einen Meter Unterschied ausmachen.

Dazu komme die breite und tiefe Fahrrinne für Güterschiffe. „Das hat oft sehr steile und mit Steinschüttung befestigte Ufer zur Folge“, sagt er. Für Fische und Pflanzen blieben durch all das weniger lebenswichtige Flachwasserbereiche übrig.

Die daraus folgende Austrocknung der Auen an den Elbufern müsse verhindert werden, fordert die niedersächsische Bundestagsabgeordnete Julia Verlinden (Grüne) aus Lüneburg. Die neuen Baggerpläne würden „einem ökologischen Elbe-Konzept massiv widersprechen“, sagt Verlinden: „Es darf keinen Ausbau der Elbe geben.“

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.