Alternativen zum Einwegkaffeebecher: Das Ende des Cupitalismus

Vor einem Jahr entschieden die deutschen Umweltminister, etwas gegen Einwegbecher zu tun. Was ist seitdem passiert? Drei Beispiele.

Eine Frau trinkt aus einem Einwegbecher

Schluck aus der Pappe. Viele Betriebe haben Bedenken, mitgebrachte Mehrwegbecher zu befüllen – wegen der Hygiene Foto: Imago/Westend61

Die bundesweite Lösung?

Ein eigener Mehrwegbecher ist nervig. Kunden müssen mitdenken: morgens den Becher in die Tasche stecken, dann abends zu Hause auswaschen, tagsüber aufpassen, dass die Kaffeereste nicht in die Tasche sickern. Unpraktisch, oder?

„Wir wollten die Coffee-to-go-Mentalität beibehalten, aber eine unkomplizierte Alternative aufbauen“, sagt Fabian Eckert, Mitbegründer des Start-ups Recup. Eckert und sein Partner Florian Pachaly wollen ein bundesweites Pfandsystem für Mehrwegbecher aufbauen. Das Vorbild war Freiburg.

Nach Angaben von Recup sind in Rosenheim und München etwa 150 Betriebe beteiligt. Welche das sind, lässt sich in einer App nachlesen. 27 000 Kunststoffbecher sollen bereits im Umlauf sein. Die Becher sind aus Polypropylen hergestellt, einem recycelbaren Kunststoff.

Doch wie lässt sich mit Pfandbechern Geld verdienen? Die Coffee-to-go-Betreiber zahlen pro Filiale und pro Tag für die Teilnahme am System von Recup einen Euro als Lizenzgebühr. Dafür schrumpft in den Geschäften die Menge der Einwegbecher. Ein Becher kann etwa 500 Pappbecher ersetzen, so oft kann er wiederverwendet werden. (Ein kurzes Rechenspiel: 27.000 mal 500? Über 13 Millionen weniger Pappbecher!) Recup übernimmt den Service, sie stellen die Becher bereit und verzeichnen die Unternehmen in der App für die Kunden. „Wir bieten auch einen kostenpflichtigen Reinigungsservice an“, sagt Eckert.

Müll: Laut Deutscher Umwelthilfe landen jährlich 2,8 Milliarden Einwegbecher in deutschen Straßentonnen. Aufeinander gestapelt, könnte man damit einen 300.000 Kilometer hohen Turm bauen. Das wären drei Viertel der Strecke bis zum Mond.

Recycling: Die meisten Einwegbecher kommen in den Restmüll und werden verbrannt. Doch selbst wenn sie im gelben Sack landen, ist der Aufwand hoch. Sie bestehen nur zu fünf Prozent aus Kunststoff, der Rest ist Pappe. Die Abfallwirtschaft kann diese Feintrennung oft nicht leisten.

Lösung? Vor einem Jahr hat die Umweltministerkonferenz beschlossen, die Einwegbecher zu reduzieren. Sie sollen „durch Aufklärung und freiwillige Maßnahmen“ verringert werden.

Bereits im März ist Recup mit der Berliner Initiative Just swap it fusioniert. Clemens Pech hatte dort bereits vergangenes Jahr ein eigenes Pfandprojekt gestartet. „Wir haben in Berlin noch auf Bambusbecher gesetzt, die jedoch von unseren meisten Kunden nicht zurückgegeben wurden“, erzählt Pech. Deshalb habe man sich nun mit Recup zusammengetan, um ein bundesweites einheitliches System aufzubauen.

Recup ist nicht das einzige Pfandsystem, das den bundesweiten Markt erobern möchte. Der FairCup hat in Göttingen als ein Berufsschülerprojekt angefangen. Ab September wird es als Unternehmen weitergeführt. 90 gastronomische Betriebe hat FairCup mit 7.800 Pfandbechern und Deckeln versorgt. Die Göttinger haben zudem einen Pfandautomaten entwickelt. „Unser Ziel ist, dass Personen auf ihr Pfandgeld verzichten und es für unsere sozialen und Fair-Trade-Projekte spenden“, so FairCup.

Hessische Rabatte

An welcher Stelle sind VerbraucherInnen empfindlich? An ihrer Geldbörse. Sommerschlussverkäufe, Paybackkarten, Gutscheine – Rabatte funktionieren. Wie wäre es also mit einem Rabatt für weniger Müll?

Das hessische Umweltministerium hatte die Idee, ein Rabattsystem für den Mehrwegbecher aufzubauen. Dass die Initiative aus Hessen kam, hatte einen simplen Grund: Viele BürgerInnen hatten sich in Briefen über überquellende Mülleimer, ungemütliche Parks und Bahnhöfe beschwert.

Bereits im April 2016 startete das Projekt namens Becher Bonus. Das grüne Ministerium schrieb Briefe, aber nicht zurück an die BürgerInnen, sondern an die Coffee-to-go-Betriebe. Die Unternehmen sollten sich verpflichten, den KundInnen Rabatte zu erlassen, wenn sie einen Becher mitbringen. „Uns war es wichtig, dass wir mit den Unternehmen ein freiwilliges Angebot entwickeln“ sagt Mischa Brüssel de Laskay, Pressesprecher des hessischen Umweltministeriums. „Verbote sind natürlich ein wirksames Mittel, aber sie fördern nicht das, worum es uns eigentlich geht, nämlich ein Bewusstsein und eine Verantwortung für das eigene Handeln.“

Ein junger Mann kommt als Flüchtling aus dem Irak nach Sachsen. In einem Supermarkt gibt es Ärger, vier Männer fesseln ihn an einen Baum. Kurz bevor ihnen der Prozess gemacht werden soll, findet man den Flüchtling tot im Wald. Zufall? Das fragt die taz.am wochenende vom 1./2. Juli. Außerdem: Rapper Bushido versucht sich an sein Praktikum im Bundestag zu erinnern. Und: Sechs Seiten zur Entscheidung im Budnestag für die Ehe für alle. Am Kiosk, eKiosk oder gleich im praktischen Wochenendabo.

Mittlerweile beteiligen sich 60 Unternehmen und 3.600 Filialen an der Kampagne – bundesweit. Jüngst hat der Konzern Tchibo angekündigt, 10 Cent Rabatt für Mehrwegbecher zu geben. Viele andere Unternehmen haben das Angebot bereits eingeführt: Einige Filialen von ­McCafé, Nordsee und der Bäckerei Kamps geben ebenfalls 10 Cent, im Bordrestaurant der Deutschen Bahn gibt es 20 und bei Starbucks und Alnatura sogar 30 Cent Preisnachlass.

Bedenken gab es wegen der Hygiene. „Viele Betriebe waren unsicher, ob sie den fremden Mehrwegbecher befüllen dürfen“, sagt Brüssel de Laskay. Die Rechtslage war nicht eindeutig. Dorothea Kesberger von der Verbraucherzentrale Berlin sieht kein Problem. „Es gibt keine Hygienevorschrift, die das Abfüllen in private Mehrwegbecher verbietet.“ Im eigenen Interesse sollten Verbraucher jedoch nur saubere Becher abgeben und Verkäufer die hygienischen Standards beachten.

Bisher nutzen nur wenige Kunden der großen Ketten das Angebot. Das bestätigt eine Sprecherin von McDonald’s: „Generell ist das Feedback unserer Gäste sehr positiv. Im Moment bewegt sich die Nutzung allerdings noch auf einem niedrigen Niveau, steigt aber an.“

Die Pioniere aus Freiburg

Mit 15 Cafés hat die Universitätsstadt Freiburg im November ihr Pfandsystem gestartet. Mittlerweile sind 18.000 FreiburgCups im Umlauf. Die Stadt verteilt sie gratis an die Anbieter.

Das Pilotprojekt läuft gut, fast drei Viertel aller Geschäfte machen mit. KundInnen haben in Freiburg die Wahl: Entweder sie nehmen den Einwegbecher, oder sie entscheiden sich für das Pfandsystem. Zusätzlich zum Kaffeepreis wird ein Euro Pfand für den Mehrwegbecher gezahlt. Der Becher kann in allen mitmachenden Restaurants und Cafés wieder abgegeben werden. Diese haben einen Aktionsaufkleber am Eingang. Das Pfand gibt es dann zurück, nur der Deckel landet im Müll.

Anfangs waren nicht alle Cafés vom neuen System begeistert. „Wir wollten unsere Kunden nicht bevormunden. Das Becherdesign war auch nicht überzeugend“, erzählt Christoph Wyen, Betreiber des Sedan Cafés. 1.500 Becher hat Wyen bisher bestellt, doch nur wenige kamen nach der Ausgabe wieder zurück. „Die Leute sind bequem und behalten die Becher als Souvenirs.“ Für Wyen ist das gut. Das Café zahlt für die Becher nichts, darf aber das Pfand behalten.

Am Universitätsklinikum der Stadt kommt das System besser an. Jeder fünfte Kunde trinkt in den Cafeterien seinen Kaffee in einem Mehrwegbecher. „Die jungen Menschen an der Uni denken nachhaltiger“, sagt Dietmar Bootz von der Abfallwirtschaft Freiburg.

Ob der Müll weniger wurde, konnte von der Abfallwirtschaft noch nicht ausgewertet werden. Ende des Jahres läuft das Pilotprojekt aus. Die Stadt sucht nach einem Unternehmen, das das Pfandsystem übernimmt.

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