Kein Bußgeld für 71-jährige Politaktivistin: Abschied aus Absurdistan

Irmela Mensah-Schramm hatte ein Nazi-Grafitto verschönert – und sollte dafür mindestens 1.800 Euro Strafe zahlen. Das ist nun vom Tisch.

Irmela Mensah-Schramm

Schrubbt seit über 30 Jahren Nazi-Propaganda von Wänden: Irmela Mensah-Schramm Foto: dpa

BERLIN taz | Es gibt so Themen, zu denen fällt einem gleichzeitig nichts mehr ein – und dennoch ganz viel. Dazu gehören die Versuche, die sogenannte Polit-Putze Irmela Mensah-Schramm zu bestrafen und zu kriminalisieren.

Die mittlerweile 71 Jahre alte Dame entfernt seit 30 Jahren rechtsextreme Schmierereien und Aufkleber aus dem öffentlichen Raum. Nun sollte man meinen, dass alle Welt – bis auf die Nazis natürlich, die das Zeug sprühen oder kleben – ihr dafür dankbar sei. Und tatsächlich hat die in Stuttgart geborene ehemalige Heilpädagogin viele Preise für ihren unermüdlichen Kampf gegen den rechtsextremen Hass bekommen; das NS-Dokumentationszentrum in München stellt ihre Putzaktionen sogar aus. Immer wieder steht die Aktivistin allerdings auch vor Gericht – und da wird’s dann manchmal richtig absurd.

1.800 Euro Geldstrafe

Zuletzt war Mensah-Schramm in Berlin zu 1.800 Euro Geldstrafe verurteilt worden, weil sie in einem Fußgängertunnel in Zehlendorf ein „Merkel muss weg“-Graffito in den Satz „Merke! Hass weg!“ verändert hatte. Der Vorwurf: Sachbeschädigung. Ein entsprechender Strafantrag wurde von der offenbar für Fußgängertunnel zuständigen Senatsverwaltung für Verkehr unter dem damaligen Senator Andreas Geisel (SPD) gestellt. Mensah-Schramm hatte gegen die Verurteilung im Herbst Berufung eingelegt – ebenso wie der Staatsanwalt, der die Strafe noch zu niedrig fand.

Nun ist das ja bereits absurd genug und zeigt aufs Wunderbarste, wie krampfhaft sich der Staat um die Kriminalisierung der Antifaschistin bemüht: Mensah-Schramm musste auf Wunsch der Senatsverwaltung vor Gericht, weil sie eine Sachbeschädigung beschädigt hatte – oder war der „Merkel muss weg“-Spruch etwa der offiziell angebrachte Wandschmuck der Tunnelverwaltung, sozusagen „Kunst am Bau“?

Wie dem auch sei: In diesem Fall nimmt die kriminelle Karriere der vielfach geehrten Aktivistin mal ein gutes Ende – gut jedenfalls in dem Rahmen, den Absurdistan ermöglicht. Die Verkehrsverwaltung – nun unter Leitung der parteilosen, von den Grünen nominierten Senatorin Regine Günther – zog jetzt den Strafantrag gegen Mensah-Schramm zurück. Und da auch die Staatsanwaltschaft, die die Geldstrafe von 1.800 Euro noch vor Kurzem als zu niedrig angesehen hatte, plötzlich „kein besonderes öffentliches Interesse an einer Strafverfolgung“ mehr sieht, wird das Verfahren eingestellt.

Was sagt die Kanzlerin?

Uns freut das für Frau Mensah-Schramm, die für ihre lobenswerten Aktionen nicht auch noch bezahlen muss. Ein bisschen wundern wir uns aber schon, dass ein „Merkel muss weg“-Graffito in einem öffentlichen Tunnel einer SPD-geführten Verwaltung nicht als Sachbeschädigung, sondern im Gegenteil als schützenswert galt. Was sagt dazu wohl die Kanzlerin?

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