Urteil zum Tarifeinheitsgesetz: Rückschlag für Spartengewerkschaften

Das Bundesverfassungsgericht hat beschlossen, dass das Tarifeinheitsgesetz rechtmäßig ist. Sind Lokführer & Co. bedroht? Fragen und Antworten.

Mehrere Menschen und Fahnen mit der Aufschrift GDL

Darf die GDL künftig nicht mehr streiken? Foto: dpa

BERLIN taz | Das seit 2015 geltende Tarifeinheitsgesetz ist weitgehend mit dem Grundgesetz vereinbar. Das hat das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe in einem am Dienstag veröffentlichten Urteil entschieden – jedoch auch Änderungen am Gesetz gefordert. Das Gericht verlangt „Vorkehrungen“, damit die Belange der Mitglieder von Minderheitengewerkschaften nicht vernachlässigt werden. Dazu muss der Gesetzgeber bis Ende nächsten Jahres eine Neuregelung schaffen, die die Interessen kleiner Gewerkschaften sicherstellt. (AZ: 1 BvR 1571/15 und weitere)

Im Folgenden hat die taz wichtige Fragen und Antworten zum Tarifeinheitsgesetz zusammengetragen.

1. Was bewirkt das Tarifeinheitsgesetz?

Das von Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) eingebrachte Gesetz soll die Vielfalt in der Tariflandschaft in einzelnen Betrieben beenden, etwa den Krankenhäusern oder bei der Bahn. Denn es sieht vor, dass nur der Tarifvertrag der Gewerkschaft mit den meisten Mitgliedern angewendet wird. Sind die Mehrheitsverhältnisse nicht klar, zählen unabhängige Notare die Mitglieder und stellen so fest, wer die Löhne und Arbeitszeiten aushandeln darf. Diese Regelung halten die Kläger für verfassungswidrig, weil sie nach ihrer Ansicht gegen die im Artikel 9 Absatz 3 des Grundgesetzes geschützte Koalitionsfreiheit verstößt. Nahles bestritt dies in der mündlichen Verhandlung in Karlsruhe.

2. Bedeutet das Gesetz ein Ende des Streikrechts für Spartengewerkschaften?

Diese Befürchtung geht im Lager der Kleingewerkschaften um. „Die Berufsgewerkschaften sind in Gefahr, weil ihre ureigenste Daseinsberechtigung infrage gestellt wird“, glaubt der Deutsche Beamtenbund (dbb), der die Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) vertritt. Wenn die GDL nicht mehr selbst verhandeln und kämpfen kann, ist die Mitgliedschaft sinnlos. „Wir sind massiv betroffen“, sagt auch der Sprecher des Marburger Bunds, Hans-Jörg Freese. Die Gewerkschaft der Krankenhausärzte ist in den Kliniken, gemessen an der Mitgliederzahl von Verdi, weit unterlegen und dürfte damit kaum mehr als Verhandlungspartner infrage kommen.

3. Welche Gewerkschaften oder Branchen sind betroffen?

Es gibt mehrere kampfstarke Berufsgewerkschaften. Neben der GDL und dem Marburger Bund fallen in der Öffentlichkeit auch die Pilotenvereinigung Cockpit und die Vertretung der Unabhängigen Flugbegleiterorganisation UFO durch harte Arbeitskämpfe auf. Inwieweit sich das Tarifeinheitsgesetz praktisch auswirkt, ist noch offen, denn zur Anwendung kam es noch nicht. Bei der Bahn ist das Problem bis zum Ende des Jahrzehnts durch eine Vereinbarung des Konzerns mit den beiden Bahngewerkschaften gelöst. GDL-Chef Claus Weselsky droht jedoch schon mit einer Expansion in weitere Berufsgruppen bei der Bahn, um so notfalls die notwendige Mehrheit in den Betrieben zu erreichen.

4. Warum sind die Gewerkschaften hier gespalten?

Die Initiative für die Tarifeinheit ging 2010 von dem Arbeitgeberverband und dem DGB aus. Im Dachverband haben die großen Gewerkschaften das Sagen, die mit dem Gesetz die kleineren Kontrahenten in Schach halten könnten. Doch auch hier ist die Position uneinheitlich. So ist Verdi dagegen.

Mit Material von epd

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