Das Kopfgeld als letzte Chance

Mit umstrittenen Mitteln sucht das Simon-Wiesenthal-Zentrum letzte NS-Täter

BERLIN taz ■ Das Simon-Wiesenthal-Zentrum ist durch seine Suche nach untergetauchten Nazi-Verbrechern berühmt geworden. Rabbi Marvin Hier gründete 1977 die Organisation, um Wiesenthals Verfolgung von Kriegsverbrechern weiterzuführen. Heute hat das Zentrum weltweit mehr als 400.000 Mitglieder. Neben dem Hauptsitz in Los Angeles gibt es Zweigstellen in New York, Miami, Toronto, Jerusalem, Paris und Buenos Aires. Es widmet sich dem Kampf gegen Antisemitismus und Rassismus. In Los Angeles betreibt es das „Museum der Toleranz“.

Aufsehen erregte das Zentrum mit der Kampagne „Operation letzte Chance“. Um die letzten noch lebenden Nazi-Verbrecher aufzuspüren, rief es in Deutschland, Österreich und mehreren osteuropäischen Staaten in Zeitungsanzeigen dazu auf, Hinweise auf mögliche Kriegsverbrecher zu geben. Für Tipps, die zur Verurteilung führen, wurde eine Prämie von 10.000 Euro ausgesetzt. Der Leiter des Fritz-Bauer-Instituts zur Erforschung des Holocausts, Micha Brumlik, kritisierte: „Das hat einen denunziatorischen Effekt und ist moralisch unsauber.“ Efraim Zuroff vom Wiesenthal-Zentrum in Jerusalem verteidigte die Belohnung: Die öffentliche Wirkung sei so größer.

Seit dem Start der umstrittenen Kampagne sind in Deutschland rund 200 Hinweise auf mögliche NS-Verbrecher eingegangen. Insgesamt förderte die „Operation letzte Chance“, die seit dem 8. Juli 2002 läuft, in mehr als einem Dutzend Staaten die Namen von 364 mutmaßlichen Tätern zutage. 79 Verdachtsfälle wurden an Ermittlungsbehörden weitergeleitet. In Deutschland wurde jedoch bisher von der Staatsanwaltschaft nur ein einziges Verfahren eingeleitet. Einige weitere Fälle werden noch überprüft. Die Hinweise kamen meist von Nachfahren oder Nachbarn der mutmaßlichen Verbrecher. SARAH MERSCH