Nach dem Festival in Themar: Nazis sollen „vergällt“ werden

Politiker diskutieren über die Verschärfung des Versammlungsrechts. Auf einem Video zeigen Besucher den Hitlergruß.

Auf einem Plakat steht „Kein Fußbreit den Faschisten“, dahinter Menschen und Sonnenschirme

Wieviel Fußbreit die Faschisten zukünftig bekommen, wird noch diskutiert Foto: dpa

BERLIN/DRESDEN taz | Nach dem bislang größten Nazikonzert dieses Jahr, das am Samstag in Thüringen stattfand, hat Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linkspartei) eine Überprüfung des Versammlungsrechts angeregt. Rund 6.000 Neonazis aus ganz Europa waren in die Kleinstadt Themar gereist. Ramelow hatte daraufhin am Sonntag rechtliche Änderungen ins Gespräch gebracht. „Wenn alles klug durchdacht gewesen wäre, wäre es nicht so gelaufen“, begründete Ramelow gegenüber der taz diesen Vorstoß.

Dem Konzert waren wochenlange juristische Auseinandersetzungen vorausgegangen: Der Landkreis Hildburghausen hatte zunächst beim Verwaltungsgericht versucht, das Konzert nicht als politische, sondern als kommerzielle Veranstaltung zu deklarieren. Als das gescheitert war, reichte der Landkreis Beschwerde gegen die Entscheidung beim Thüringer Oberverwaltungsgericht (OVG) ein. Das wies die Beschwerde drei Tage vor dem Konzert zurück. „Sie hat formalen Kriterien nicht genügt“, sagte ein Sprecher. Das Gericht in Weimar halte die Entscheidung des Verwaltungsgerichts jedoch auch in der Sache für richtig: Das Verwaltungsgericht habe konsequent die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts angewandt.

Auch deshalb sieht Ramelow nun Handlungsbedarf, ohne zunächst konkrete Korrekturen benennen zu können. „Ich habe das Kabinett und die Staatskanzlei mit einer Vorprüfung der genauen Rechtslage und der Vorgänge beauftragt“, sagt er. Schon an diesem Dienstag wird dies Thema der Kabinettssitzung sein, wo es zunächst um das Thüringer Versammlungsgesetz geht. Zentrale Frage für Ramelow ist die Abgrenzung verfassungsrechtlich geschützter politischer von kommerziellen Veranstaltungen. Eindeutige Definitionen müssten einer Versammlung ein klares „Gepräge“ geben.

Allein die Eintrittsgelder von 35 Euro seien ein „K.-o.-Kriterium“, sagte Ramelow: „Ich bin noch auf keiner öffentlichen Versammlung gewesen, für die ich Eintritt hätte zahlen müssen.“ Und mit Blick auf den Polizeieinsatz: „Wer hunderttausende Euro mit einem solchen Konzert verdient, sollte auch die Kosten für die Absicherung tragen.“ Weiteres Kriterium für eine glaubwürdige politische Versammlung sei ein Mindestanteil von zwei Dritteln Wortbeiträgen. Ziel sei, die Anmelder solcher Konzerte künftig „zu vergällen“. Dafür drängt die Zeit: Am 29. Juli ist ein weiteres Rechtsrockkonzert in Themar geplant.

Versuche einer schnellen Rechtsänderung stießen bei Bundestagsvizepräsidentin Petra Pau sowie dem Rechtspolitiker der Thüringer CDU-Fraktion Manfred Scherer auf Skepsis. Die Thüringer Jusos betonten das hohe Gut der grundgesetzlichen Versammlungsfreiheit.

Der öffentliche Charakter des Events

Katharina König-Preuss, Abgeordnete der Linkspartei im thüringischen Landtag, sagte der taz: „Ich bin kein Fan davon, schärfere Vorgaben für das Landesversammlungsrecht zu schaffen, die letztlich nicht nur Neonazis, sondern auch andere Kundgebungen betreffen.“ Vielmehr gehe es jetzt darum, dass der Innenausschuss die Vorfälle in Themar versammlungsrechtlich bewerte.

So habe etwa der Veranstalter Tommy Frenck den öffentlichen Charakter des Events selbst infrage gestellt, indem er die Bühne blickdicht abgeschirmt habe. Zudem müsse man prüfen, ob die gewerbe- und umweltrechtlichen Möglichkeiten umfassend genutzt worden seien. Fragen könnten etwa sein, ob die Verkaufsstände als Gewerbe angemeldet waren und ob das steuerlich nachprüfbar sei. „Es geht vor allem darum, repressiv zu agieren.“

Katharina König-Preuss, Linkspartei

„Ich bin kein Fan davon, schärfere Vorgaben für das Versammlungsrecht zu schaffen“

Unterdessen ist auf YouTube ein Video aufgetaucht, auf dem laute „Sieg Heil“-Rufe im Chor zu hören sind und der Hitlergruß gezeigt wird. Das Video würde den Ermittlern gerade überspielt, sagte ein Sprecher des Landespolizeidirektion Erfurt. Die Polizei selbst sei auch auf dem Festivalgelände gewesen und habe den Vorfall beobachtet und beanstandet.

Auf die Frage, warum dann nicht sofort eingegriffen und die Veranstaltung aufgelöst worden sei, sagte der Sprecher, es habe wohl ein Kommunika­tions­problem zwischen den Kollegen innerhalb und außerhalb des Geländes gegeben. Gleichwohl würde der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gelten: „Die Polizei kann nicht sofort mit der schärfsten Maßnahme vorgehen.“ Der Vorfall sei zudem spät passiert, als viele TeilnehmerInnen ohnehin schon auf dem Heimweg waren.

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