Kurdengebiete in Syrien: Türkei droht mit Angriff

Erdogans Militär bereitet sich offenbar auf einen erneuten Einmarsch in Syrien vor. Im Visier ist der kurdisch kontrollierte Kanton Afrin.

Ein Luftbild der Stadt Afrin im Norden Syriens

Die nordsyrische Stadt Afrin ist vor allem von Kurden bewohnt Foto: reuters

ATHEN taz | Überschattet vom bevorstehenden G20-Gipfel in Deutschland eskaliert in Syrien der türkisch-kurdische Konflikt mit möglicherweise weitreichenden Folgen. Wie türkische Medien berichten und Präsidentensprecher Ibrahim Kalin bestätigte, bereiten sich die türkischen Streitkräfte mit Unterstützung ihrer syrischen Verbündeten darauf vor, in den kurdischen Kanton Afrin einzumarschieren.

In den letzten Tagen hatte die türkische Artillerie bereits mehrfach nach Afrin hinein gefeuert und damit nach Angaben der Militärs einen Beschuss von der kurdischen Seite erwidert. Der von syrischen Kurden bewohnte Bezirk Afrin liegt im Nordwesten Syriens an der Grenze zur Türkei. Es ist der dritte Kanton der kurdisch kontrollierten, von ihnen als „Rojeva“ bezeichneten Gebiete in Nordsyrien.

Die Kurden würden Afrin gern mit den beiden anderen Kantonen Kobane und Kamischli verbinden. Schon der erste Einmarsch türkischer Truppen nach Syrien im letzten August diente nicht nur dazu, den IS von der türkischen Grenze zu vertreiben, sondern sollte auch verhindern, dass die kurdische Miliz YPG einen Korridor zwischen Kobane und Afrin erobert.

Zum großen Ärger der türkischen Regierung hielt und hält das US-Militär aber an ihrer Unterstützung der YPG fest, weil die YPG für die USA praktisch die Bodentruppen im Kampf gegen den IS stellen. Das von der YPG dominierte Bündnis SDF, ein Zusammenschluss von Kurden und Arabern, hat jüngst mit amerikanischer Unterstützung einen Teil der IS-Hochburg Rakka erobert.

USA wollen Intervention verhindern

Als Reaktion auf die US-Weigerung, die YPG fallen zu lassen, die nach Ansicht von Ankara eng mit der PKK zusammenarbeitet, hat Präsident Recep Tayyip Erdogan angekündigt, jede Provokation der Türkei durch die YPG zurückzuschlagen, auch ohne zuvor die USA zu informieren.

Um zu verhindern, dass Erdogans Militär diese Drohung jetzt umsetzt, hat US-Präsident Donald Trump am letzten Wochenende mit dem türkischen Präsidenten telefoniert und gleichzeitig seinen militärischen Koordinator im Kampf gegen den IS, Brett McGurk nach Ankara geschickt. Offenbar beides ohne Erfolg, denn die türkische Armee setzt ihre Vorbereitungen nach Berichten in regierungsnahen Zeitungen fort.

Nur einen Tag nach seinem Gespräch mit Trump konferierte Erdogan dann mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin und empfing am Wochenende auch den russischen Verteidigungsminister Sergei Shoigu in Istanbul. Bislang unterhält die russische Armee ein Ausbildungslager für die Kurden in Afrin. In der Türkei wird nun vermutet, dass die russische Armee sich aus dem Kurdengebiet zurückziehen könnte, falls Erdogan und Putin sich über das weitere Vorgehen in Syrien verständigen.

Ein türkischer Angriff auf das kurdische Afrin wäre jedenfalls ein Affront gegen die USA und würde den Kampf gegen den IS in Rakka schwächen. Für Putin könnte dagegen ein völliges Zerwürfnis zwischen den USA und der Türkei wichtiger sein als an der Unterstützung der syrischen Kurden festzuhalten. Eine Entscheidung soll angeblich am Rande der Syrien-Konferenz am Dienstag und Mittwoch im kasachischen Astana fallen, die von Russland, der Türkei und Iran initiiert wurde.

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