Kommentar „Moralisierung der Politik“: Macrons moralisches Feigenblatt

Frankreichs Präsident hat ein erstes Wahlversprechen umgesetzt. Aber eigentlich hat sich Frankreich bloß dem europäischen Standard angepasst.

zwei Männer auf Broschüren

Wird nun nicht mehr gebraucht: Wahlkampfmaterial von François Fillon (l.) und Emmanuel Macron Foto: dpa

Mit der Verabschiedung der Gesetze zur „Moralisierung der Politik“ hat Emmanuel Macron sein erstes Wahlversprechen gehalten. Das war allerdings auch die leichteste Aufgabe, denn der Druck der Gesellschaft war in dieser Frage spätestens seit der „Fillon-Affäre“ so groß, dass sich kaum jemand aus den Reihen der Opposition getrauen konnte, frontalen Widerstand zu leisten. Viele haben sich bei der Schlussabstimmung enthalten.

Mit dieser gesetzlichen „Moralisierung“ wird formell ein Schlussstrich unter gewisse in Frankreich gängige Praktiken gezogen, die zwar schon lange ein bekanntes öffentliches Ärgernis darstellten, aber nicht explizit verboten waren. Das Parlament hat somit sein moralisches Feigenblatt.

Macron kann sich mit einem ersten innenpolitischen Erfolg brüsten. Das Vertrauen seiner Landsleute kann er aber nicht mit einem Gesetz beschließen. Ob sie nun anschließend den weitgehend ausgewechselten Mitgliedern der Nationalversammlung wirklich mehr Kredit geben und ob es tatsächlich weniger Interessenkonflikte und Pressionen von Lobbys geben wird, ist eine andere Frage.

Eigentlich hat sich Frankreich bloß dem europäischen Minimum angepasst. Das ist indirekt wirklich dem unglücklichen Präsidentschaftskandidaten François Fillon zu verdanken, der die mutmaßliche Scheinbeschäftigung seiner Ehefrau für so normal gehalten hat, dass er trotz der Enthüllung des Skandals Staatschef werden wollte.

Von einer „Moralisierung“ der Politik kann erst die Rede sein, wenn die Justiz in dieser Fillon-Affäre auch ihre Arbeit bis zum Ende erledigt. Vielleicht kehrt dann das seit vielen Jahren verlorene Vertrauen der Bürger in ihre gewählten Vertreter zurück. Die zweite Voraussetzung dafür wäre es, dass die bisher manchmal unbeholfen wirkende neue Regierung nicht nur in der Moral, sondern auch in anderen Fragen die Forderungen und Befürchtungen der Leute ernst nimmt.

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Frankreich-Korrespondent der taz seit 2009, schreibt aus Paris über Politik, Wirtschaft, Umweltfragen und Gesellschaft. Gelegentlich auch für „Die Presse“ (Wien) und die „Neue Zürcher Zeitung“.

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