Bundestagwahlkampf: Die Wunderwelt der Wahlplakate

Schlipslose Bürgerliche, ein mutierter FDP-Tegelretter und nur begrenzte Anstrengung bei der SPD: Parteiplakate prägen jetzt die Stadt.

Bei der SPD trägt man noch Krawatte. Foto: dpa

Da sag noch einer, Wahlplakate seien immer gleich. Von wegen. Was da seit dem Wochenende hängt, insgesamt angeblich knapp über 200.000 Werbepappen, bringt immer wieder neue Überraschungen. Da ist zum einen die Sache mit den Krawatte, lange das Zeichen von Bürgerlichkeit. Ein CDUler ohne Schlips, das hatte Seltenheitswert. Bei den Sozen hingegen gehörte es mehr oder weniger zum guten Ton, sich nichts vor die Brust zu binden, bis hin zum inoffiziellen Krawattenverbot bei der taz.

Doch was ist jetzt? Jetzt ist ausgerechnet SPD-Spitzenkandidat Martin Schulz in vielen Ecken der Einzige, der mit so einem Ding abgebildet ist. Die CDU hingegen? Thomas Heilmann, Ex-Justizsenator und Kandidat in Steglitz-Zehlendorf, bei den Parteivorwahlen im März hochoffiziell einmal mit hell gestreiftem, einmal mit mittelblauem Binder, ist auf seinen zahlreichen, teils riesigen Plakaten im Südwesten nur ohne zu sehen.

Gut, könnte man sagen, der Heilmann, der war doch mal Werbefuzzi, die sind halt anders. Aber da ist ja noch Frank Henkel, Ex-Parteivorsitzender, Ex-Innensenator und auch modisch nicht gerade ein Revoluzzer, der against all odds in Mitte gegen SPD-Frau Eva Högl antritt – ohne Krawatte. Genauso ist es beim Spitzenkandidaten der gleichfalls bürgerlichen FDP, Christoph Meyer. Verkehrte Welt. Aber vielleicht ist es schlicht so, dass Heilmann und Co. erkannt haben, dass sie nur mit Stimmen außerhalb ihres originären CDU-und-FDP-Habitats gewinnen können.

Apropos Meyer. „Tegelretter“ steht als einzige politische Aussage auf seinem Plakat, auf dem er drei- bis fünftagebärtig mehr an Herbert Grönemeyer erinnert als an den beschlipsten Meyer von Parteitagen. Das ist nun eine ganz sonderbare Mutation. Denn wenn einer als der Tegelretter schlechthin galt, so doch der meist glatt rasierte Sebastian Czaja, der FDP-Fraktionschef im Abgeordnetenhaus. Der hatte 2016 als Spitzenkandidat mit dem Tegel-Thema schier den kompletten Berlin-Wahlkampf bestritten. Und ist ja weiterhin der Kopf der Tegel-Offenhalten-Kampagne, zu der am 24. September parallel zur Bundestagswahl der Volksentscheid ansteht.

Aber mit Schlips und Mutationen nicht genug, Inhalte gibt es ja durchaus. Tief blicken lässt da der SPD-Plakatspruch „Bildung darf nichts kosten. Außer etwas Anstrengung“. Wohlgemerkt, nur „etwas“ – nicht, dass da einer meinen könnte, die SPD sei – igitt – dem Leistungsdenken anheimgefallen. Darauf wird sich noch der ein oder andere Schüler berufen können, wenn er von Lehrern gesagt bekommt, er möge doch jetzt endlich mal mehr tun.

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