Doch eher überwachen statt wegsperren

GefährderDas Bayerische Polizeigesetz zur Vorbeugehaft ist nicht so radikal wie angekündigt

FREIBURG taz | Noch sitzt kein Gefährder in unbegrenzter Vorbeugehaft – dabei ist das verschärfte bayerische Polizeigesetz schon zwei Wochen in Kraft. Das ist wohl kein Zufall. Denn das Gesetz ist rechtsstaatlicher als angekündigt.

Wie man mit islamistischen Gefährdern umgeht, ist eine zentrale Frage im Antiterrorkampf. Als Gefährder werden Personen eingestuft, die die Polizei im Auge behalten will, weil man ihnen einen Anschlag zutraut. Bisher hat eine Präventivhaft bei Islamisten aber wenig Sinn gehabt. Denn in Bayern war sie gesetzlich auf 14 Tage begrenzt, in den meisten anderen Bundesländern noch kürzer.

Auch Hooligans und militante Demonstranten werden gelegentlich in Gewahrsam genommen. Die Gefährdung, die von einem gewaltbereiten Islamisten ausgeht, endet aber nicht binnen zwei Tagen oder zwei Wochen, sondern besteht länger.

Bayerns Landesregierung kam deshalb im Februar auf die Idee, die 14-Tage-Grenze in Bayern abzuschaffen. Ein Richter würde den Gewahrsam anordnen und müsste frühestens nach einem Jahr über die Fortdauer entscheiden. In einem späteren Entwurf war dann eine dreimonatliche Überprüfung alle drei Monate vorgesehen. Doch es blieb dabei: Der Gewahrsam ist beliebig oft verlängerbar, es gibt also keine feste zeitliche Obergrenze mehr.

CSU-Innenminister Joachim Herrmann verwies auf Bremen und Schleswig-Holstein. Dort sei der Gewahrsam schon immer unbegrenzt möglich – und keinen habe es je gestört. Allerdings setzt der Gewahrsam in den Nordbundesländern vo­raus, dass damit eine „unmittelbar bevorstehende“ Straftat verhindert wird. Faktisch wird der Gewahrsam deshalb auch dort höchstens für einige Tage verhängt.

In Bayern sollte der Gewahrsam dagegen schon bei einer „drohenden Gefahr“ eingesetzt werden. Erst durch diese gesenkte Gefahrenschwelle wäre monate- und jahrelange Präventivhaft möglich gewesen. Allerdings wäre es wohl auch unverhältnismäßig gewesen, jemand monatelang in Haft zu halten, ohne dass bereits eine echte Gefahr besteht.

Das sah dann auch die CSU ein. Um eine Niederlage vor dem Bundesverfassungsgericht zu vermeiden, strich sie noch im April den Passus mit der „drohenden Gefahr“. Im beschlossenen Gesetz wird nur noch eine konkret bestehende Gefahr verlangt – wie im Polizeirecht üblich. Eine längere Präventivhaft lässt sich damit aber kaum noch begründen.

Dass das Gesetz längst entschärft war, hat aber kaum jemand gemerkt. Die CSU hielt im Landtag Ende Juli weiter markige Reden: „Für Gefährder muss gelten: wegsperren vor überwachen“, sagte ein CSU-Abgeordneter. Faktisch wird es wohl eher andersherum sein. In der Regel werden Gefährder in Bayern vermutlich mit der elek­tronischen Fußfessel überwacht. Diese wurde als „elektronische ­Aufenthaltsüberwachung“ jetzt ebenfalls im Polizeigesetz ein­geführt. CHRISTIAN RATH